Pinot-Sisters

von | 21, 12, 20 | ALLGEMEIN

In den Weinbergen von Dernau, auf der anderen Seite des Tales, mit Dörte und Meike Näkel

Dienstag, 13.10.2020, 17:10 Uhr, Friedensstraße 15, Dernau, Weinhaus Werner Näkel

Ich fahre die Straße hoch. Da ist er wieder, dieser Flashback, das Aufploppen von Erinnerungen nach 20 Jahren. Weinselige Momente, die etwas verblasst sind. Aber wegen den Farben sind wir ja im Ahrtal – die in der Natur und die in unseren Köpfen.


Wir fahren an der anderen Seite des Tales in die Weinberge. Hier kenne ich mich besser aus. Hier führt auch der legendäre Rotwein-wanderweg entlang. 17:20 Uhr. Wir bekommen genau an der Stelle das Zeichen zum Halt, wo wir seinerzeit unser Frühstück nach dem Feuerwehrfest zelebriert haben. 

Theo checkt Sonneneinfall, Licht, etc. Ich bereite mich aufs Interview vor. Im Hintergrund höre ich, wie Julia, Dörte, Meike und Kirsten einen Kleidungs-Check vornehmen. Alle vier tragen grüne Oberbekleidung und schwarz-graue Jeans. Lediglich anhand der Besohlung kann man sie unterscheiden … okay, auch an den Köpfen.

Die Spätburgunder-Schwestern werden von Theo auf ein kleines Plateau mit Sitzbänken dirigiert. Sie sollen sich auf das Plateau setzen und die Beine baumeln lassen, das sieht cooler aus als auf den Bänken. „Jetzt noch ein Bild mit Julia.“ Ein Blick auf das Display von Theos Canon lässt uns zufrieden das Interview angehen. Keine Lust auf  Schnick-Schnack und Posing. Unplugged ist wieder das zentrale Motiv. Wenn ich schon vor Weinkönigin Julia nicht niedergekniet habe, dann ist jetzt halt der richtige Moment für eine respektvoll-unterwürfige Geste vor den beiden Näkel-Sisters. Ich befinde mich auf Augenhöhe mit der Oberflächenspannung des Spätburgunders, der in ihren Gläsern kreist. 17:54 Uhr.

So, ihr beiden, ich habe jetzt 20 Jahre Pause von eurem Weingut und vom Ahrtal eingelegt … damit ist jetzt Schluss. Wir starten, Aufnahme läuft.

Das Gluckern des Weines beim Einschenken in mein Glas wird leicht übertönt vom Lachen der beiden Spätburgunder-Schwestern. Ich sollte öfter Pinot trinken, irgendwie sind die alle extrem fröhlich hier im Tal. 

Ihr habt einen eurer Lieblingstropfen mitgebracht, d.h. wir trinken jetzt Meyer
Näkel Blauschiefer. Was sollten wir über diesen Tropfen wissen?

Dörte Näkel: Das ist einer unserer Spätburgunder Ortsweine. Wir blicken von hier aus zur Rechten direkt auf die Rebstöcke der Lage. Wie du siehst: ganz steil, ganz viel Schiefer, somit sehr mineralische Weine … also ganz typisch Ahr. Der Blauschiefer gehört zu den Weinen, den ich mir schon mal unter den Arm klemme, wenn ich unsere Weine präsentiere – das ist für mich der Klassiker schlechthin.

Meike Näkel: Der beinhaltet ganz viel Heimat. Wir sind hier in Dernau großgeworden, mit Blick auf dessen Reben hier.

Apropos großgeworden, welches Baujahr seid ihr? 

Meike: 1980.
Dörte: 1982.

Lieblingsweine – fremde Range, gerne auch außerhalb von Deutschland?

Meike: Wenn wir uns außerhalb von Spätburgunder bewegen, was einfach unsere Passion ist … ich mag gerne die Chardonnays aus dem Burgund, aus dem Mâconnais. Die Weine sind vom Typ her oft sehr wild – oft sehr reduktiv ausgebaut, das mag sich sehr.

Dörte: Ich mag die Vielfalt in der Weinwelt. Was mir gerade spontan einfällt, ist ein Wein, den wir im letzten Jahr getrunken haben, ein Pinot Noir aus den USA von Hirsch-Vineyards. Ich habe das gar nicht auf dem Schirm gehabt, dass die dort so elegante Weine herstellen. Das ist einer, der mir einfach sehr lange in Erinnerung geblieben ist.

Hirsch-Vineyards … das riecht nach einer namenstechnisch bedingten Sympathie-Bestellung – das Schwärmen von Dörte nicht zu vergessen. 

Zeitsprung: Das könnte eher ein Wein für ganz besondere Momente werden, wir mir ein Blick auf Google verrät, während ich diesen Artikel schreibe. Für den Preis, der für eine Flasche aufgerufen wird, könnte man acht bis zehn Pizzen bestellen.

Welcher Wein steht ganz oben auf eurer Bucketlist? 

Meike: Die Flaschen von Henry Jayer. Unser Papa hat damals 24 Flaschen von ihm persönlich im Burgund geschenkt bekommen. Davon hat er uns keine einzige übergelassen.

Die waren alle ausgetrunken, bevor wir im alkohol-genuss-fähigen Alter waren. Den hätte ich gerne mal getrunken, weil unser Papa da so wahnsinnig von geschwärmt hat – wie übrigens die ganze Welt. Henry lebt leider nicht mehr, und deswegen ist es schwierig, noch in den Genuss dieser Weine zu kommen.

Wenn ihr das mal googelt, werdet ihr den schmunzelnden Schmoll von Meike verstehen.

Bei einer Auktion in Genf wurden 1.064 Flaschen Wein dieses „König des Pinot Noir“ für 30 Millionen Euro versteigert. Das waren etwa 28.195 Euro pro Flasche. 

Da bin ich ja mit dem Pinot Noir von Hirsch-Vineyards noch gut bedient …

Dörte: Mir schwebt kein bestimmter Wein vor. Ich finde jede Flasche Wein, die man mit guten Freunden in einer schönen Situation teilt, besonders.

Exkurs: Dienstag, 17.11.2020, 18:51 Uhr, an meinem Lieblingsschreibtisch

Nach einem Paula-Waldspaziergang mit Kirsten verordne ich mir noch zwei Stunden Feinschliff an der Indian-Summer-Story. Jetzt kommt der Part, wo wir Dörte und Meike Näkel kennenlernen. Wie war das … „Es ist nie zu früh für Spätburgunder.“ Ich bin schon echt spät dran und so ungerne unpünktlich. Ich könnte einen jungen Jahrgang entkorken, schließlich bot unser alter Defender reichlich Stauraum für flüssige Mitbringsel. Aber … ein ganz großes ABER … ich schreibe über eine alte Verbindung, deren Triebe vor zwei Jahrzehnten gesetzt wurden. Wie? Eine der Stories, die mein Reinwachsen in die Weinwelt begleitet haben, findet ihr unter unserer Rubrik WeinHeiten, wo ich euch den Charakter von Werner Näkel. dem Vater der Pinot-Sisters, etwas näherbringe.   

Meine Erinnerungen lassen mich wein-wandeln. Wie von Geisterhand erhebt sich mein Körper und bewegt sich in Richtung der Weinkisten mit den Raritäten. Ich muss nicht lange suchen, bis ich eine Flasche 1998-er Spätburgunder „G“ von Meyer-Näkel in den Händen halte. Dessen Korken lässt sich nicht lange bitten – Qualität zahlt sich einfach aus. „Ein guter Korken kostet bis zu 1,50 DM – das ist ein Fünffaches des Preises für eine gute Flasche.“ Das war eine der erhellenden Botschaften von Werner Näkel, die bis heute bei mir haften geblieben sind. Ich gieße das erste Glas ein … ein erster Schluck … eine Offenbarung (für mich). Warum ich da jetzt nicht tiefer einsteige, erfahrt ihr unter WeinHeiten. 

Rasch noch eine Impression vom Schreib-
Setting nebst Herren-Gedeck via WhatsApp an Marietta. Prompte Antwort: „Du bist ein echter Freund, einem so die Nase lang zu machen. Prost.“

Jeden Schluck genießend, tauche ich ein in den Moment, wo wir Dörte und Meike kennengelernt haben. Corona-gerechte Begrüßung, ein paar Weine und Gläser werden im neuen Defender verstaut. „Danke für eure Spontanität. Auf geht’s zu eurem Lieblingsplatz!“

Exkurs: Ende
Ihr habt euren Dad angesprochen. Wir machen jetzt nicht das große Weinstammbuch auf, sondern bitte nur kurz … wann seid ihr ins Weingut eingestiegen, wann habt ihr übernommen? 

Dörte: Meike ist 2005 eingestiegen, ich drei Jahre später. 

Meike: Es war ein fließender Übergang, Übernahme wäre zu hart formuliert. Unser Vater hat von Anfang an gesagt. „Ihr könnt machen, was ihr wollt.“ Wir haben viele Freiheiten gehabt, etwas auszuprobieren, auch mal auf die Nase zu fallen. Unser Vater hat uns echt machen lassen.

Also nicht der klassische Generationskonflikt, der sich in vielen Weingütern abspielt, wenn die neuen Ideen der Jungen bei der Tradition der Alten auf Granit oder in diesem Fall auf Schiefer beißen. 

Nein, überhaupt nicht. In diesem Machen-Lassen haben wir die letzten 15 Jahre für unsere Art des Feinschliffs nutzen können, z.B. was die Stilistik angeht. Wir sind sehr zufrieden, aber wir sind noch nicht fertig. Wir haben jedes Jahr neue Ideen.

Abrupter Themenwechsel – eure absolute Lieblingsspeise?

Dörte: Markklößchen-Suppe von meiner Oma. Meike: Rheinischen Sauerbraten.

Die Julia musste sich diese provokante Frage schon gefallen lassen: Gehört ihr zu den Menschen, weswegen wir in die Pflegeversicherung einzahlen oder könnt ihr kochen? 

Dörte: Ich glaube, ich könnte kochen … aber ich habe das große Los gezogen, dass mein Mann Kochen als Hobby hat. Von daher darf ich gar nicht kochen. Ich glaube, ich habe das echt schon seit zwölf Jahren nicht mehr gemacht. 

Ich bin froh, dass Kirsten gerade telefoniert, die würde ansonsten jetzt einstimmen und bestätigen, dass sie Los und zugleich Schicksal mit dir teilt. 

Für mich ist das völlig in Ordnung, warum sollte ich mich da einmischen? 

Sprach Dörte und nimmt einen nachdenklich-genüsslichen Schluck vom Blauschiefer, begleitet vom Lachen ihrer Schwester. 

Komm, wir bleiben bei deinem Mann, wie heißt der? 

David.

Was isst du denn von David am liebsten?

Seine Tomatensauce – mit den Tomaten aus unserem Garten, die ewig lange einkochen müssen. Diese Sauce esse ich gerne zu allem Möglichen. Das ist sein eigenes Rezept, was er hütet, aber schon für unsere Kinder aufgeschrieben hat. Die ist echt ein Highlight für mich. 

Ist David auch im Thema Wein verhaftet?

Nein, gar nicht, der ist auch Fotograf, wie Theo und deine Kirsten. 

Der hat die tollen Bilder von euch gemacht, die man findet, wenn man euch bei der Bildersuche googelt, oder? 

Ja, genau.

Eine Stimme aus dem Off schaltet sich ein … Kirsten hat aufgehört, zu telefonieren, und ergänzt aus ihrem Defender heraus: 

Dessen Bilder sind super.

Meike, machen wir einen Schwenk in deine Kochleidenschaft, wenn es die gibt? 

Die gibt es in der Tat. Aber Dank unserer drei Kinder veränderte sich mein Repertoire zu sehr kindgerechtem Food. 

Wir sind jetzt gerade mal dabei, diese Schraube ein wenig zurückzudrehen. 

Die Fischstäbchen-Flatrate ist abgeebbt … 

Gelächter angesichts der bildhaften Vorstellung.

Wir haben immer schon Convenience-

Produkte gemieden, so gut es geht. Man kann Fischstäbchen ja auch selber machen. Wir gehen aber auch sehr gerne essen. 

Wo geht man in Dernau schön essen, oder im Ahrtal allgemein – außer im Hofgarten, was ja Familie von euch ist? Von eurem Dad ist mir eine Connection mit Stefan Steinheuer in Erinnerung. 

Genau, da sind wir aber im Bereich der Gourmet-Küche. Die mögen wir auch, das ist aber für unsere Kids nicht so spannend. 

Sprechen wir über deinen Mann, über … 

Markus.

Hat Markus etwas mit dem Weingeschäft am Hut?

 Ja klar, er ist Winzer … Markus Klump aus Baden, er hat dort sein eigenes Weingut. Wir haben uns beim Weinbaustudium an der Hochschule in Geisenheim kennengelernt. Als wir zu Ende studiert hatten, war Markus 23 Jahre und ich 25 Jahre. Da waren wir noch zu jung für die Entscheidung, dass einer von uns den Betrieb aufgibt. Wir haben das Ganze dann sehr emanzipiert aufgezogen – jeder von uns  hat seinen eigenen Betrieb behalten. Das klappt jetzt schon seit 18 Jahren, inklusive dreier Kinder und trotz des vielen Pendels zwischen den Weingütern. 

Zusätzlich haben wir noch ein gemeinsames Wein-Projekt mit Namen „Hand in Hand“. Das sind drei Weine, die wir bei Markus in Baden ausbauen. Das klappt auch nur, weil Markus und ich noch jeweils Geschwister mit dabei haben. 

Meike hebt das Glas auf ihre Schwester.

Und unsere Omas, die gerne auf unsere Kinder aufpassen. 

Wie teilt ihr euch die Arbeit auf? 

Dörte: Unsere Zusammenarbeit ist gewachsen, sie hängt eng mit den Jahreszeiten zusammen. Wir sind kein Riesenbetrieb, wo man Abteilungen hat. In unserem Familienbetrieb wissen Meike und ich, was zu tun ist. Wir sind so aufgestellt, dass wenn eine von uns ausfällt, die andere übernehmen kann – was ja angesichts unserer kinder-bedingten Auszeiten auch notwendig war. Übers Jahr gesehen macht Meike hauptsächlich die Arbeit im Keller.

Meike: Im Herbst, zur Lese sind wir dann gemeinsam im Kelterhaus. Ab dem Moment, wo all unsere Weine im Barrique liegen (angesichts dieses Meilensteines stoßen die Ladies erleichtert-lachend an), wechselt die Dörte wieder in den Verkauf sowie den Export, und ich kümmere mich weiter um die Weine. Das heißt, die Betreuung des frisches Jahrgangs im Keller und die Abfüllung des letzten Jahrgangs, der dort gereift ist. 

Wenn ihr sagt, wir sind kein großes Weingut: Vermittelt doch mal den Leserinnen und Lesern ein Gefühl für eure Jahres-Produktion. 

Meike: 150.000 Flaschen. Das ist für die Region Ahr schon etwas größer, aber im deutschland-weitem Vergleich eher im unteren Mittelfeld angesiedelt. 

Ist das heute bei euch auch noch so, dass bestimmte Weine nur limitiert zugeteilt werden?

Meike: Bei den Lagerweinen schon. 

Ich war seinerzeit mehrmals auf eurer Jahrgangsverkostung, da gab es bei euch den „Longo“. Bei dem habe ich dann immer ganz stolz meinen Bestellzettel abgegeben, den er dann süffisant kommentiert und eingekürzt hat. Im Ergebnis war ich dann froh, mit 60 Flaschen die Heimreise antreten zu dürfen. Das war das erste Mal, dass ich mit … nun, nennen wir es „Verknappungs-Marketing“ in Berührung gekommen bin. 

Die Pinot-Sisters haben sichtlich Spaß bei meiner Zeitreise in die Vergangenheit. 

Dörte: Wir haben uns mittlerweile auf 23 Hektar vergrößert, also ungefähr doppelt so viel Rebfläche wie zu der Zeit, von der du sprachst, und somit auch mehr Menge. 

Bei der Niederschrift fällt mir auf, dass ich ganz vergessen habe, nach „Longo“ zu fragen … wie es ihm geht, was er heute macht. Den Umstand, dass ich nach dieser langen Zeit seinen Namen noch kenne, nehme ich als Beleg für sein besonderes Talent, die flüssigen Objekte der Rotwein-Begierden mit Humor und Augenmaß zuzuteilen. 

Abrupter Themenwechsel, welches Autos fahrt ihr? 

Dörte: Ich fahre einen VW-Bus.
Meike: Einen Mercedes-Bus. 

Gibt es auto-technische Visionen?

Meike: Ich habe tatsächlich schon zu Dörte gesagt, wenn ich wegen unserer Kiddies nicht immer so viel mitschleifen müsste, würde ich auch gerne einen solchen SUV fahren. 

Bei den Worten schaut Maike ein wenig verliebt auf den neuen Defender, quasi zu ihren Füßen.

Wir brauchen einfach viele Sitzflächen und fast alle noch mit Kindersitzen, um unsere Meute von A nach B zu kutschieren.

Wenn du ein so gutes Grundprodukt wie unsere Trauben hast,
musst du gar nicht viel verändern, sondern es so vorsichtig wie
möglich bewahren – das ist ja in der Küche auch nicht anders.

Dörte  Näkel

Auch an euch die Frage: Es gibt die unterschiedlichsten Allergien, z.B. gegen Hausstaub, Milben, Pollen, Gräser, etc. Übertragt das bitte auf den menschlichen Sektor. Gegen wen oder was seid ihr allergisch? 

Meike: Ich kann jetzt noch nicht mal sagen, dass ich gegen Menschen allergisch bin, die keinen Wein mögen. Ich kenne Menschen, die alkoholfrei leben … und tatsächlich nett sind.

… auch wenn der Glaube daran schwerfällt? 

Geschwister-Gelächter.

Wenn ich darüber nachdenke … ich finde sehr verbissene Menschen extrem anstrengend. Für mich gehört zum Leben eine gewisse Lockerheit und auch mal loszulassen. 

rte, du hattest jetzt ein wenig Vorsprung für deine Antwort …

Ich finde es schwierig, wenn Menschen zu sehr in Schemen denken. Ich finde, jeder sollte so sein können, wie er ist. Jeder hat sein Köfferchen zu tragen und wahrscheinlich auch seinen Grund, warum er so ist, wie er ist. Man sollte das akzeptieren, auch wenn es nicht in das eigene Bild passt. Ich mag Menschen, die ein wenig verrückt sind, die einen Spleen haben. 

Wenn wir schon bei der Betrachtung des Lebens sind … Gibt es einen Weinspruch, ein Zitat, was ihr gerne teilen wollt?

Dörte: Levve un levve losse.
Meike: Et hätt noch emmer joot jejange.

Sprachen sie, um dann einem weiteren Artikel aus dem rheinischen Grundgesetz und ihrem Zwerchfell Raum zu geben: Do laachs de disch kapott.

Ihr seid nah dran an Kölle, man merkt es. 

Ca. 50 Kilometer sind es, bevor ihr eure Navi-App befragt.

Ich habe vor einiger Zeit von einer Studie gehört, wonach die Köllner eine um sieben Prozent niedrigere Arbeitsunfähigkeitsquote haben als der Bundesdurchschnitt. Man brachte das in Verbindung mit dem Denken und Leben des sogenannten Kölschen Grundgesetzes. 

Beide: Das halten wir für schlüssig. 

„Darauf einen Dujardin“ … oder in diesem Fall: ein Toast mit dem Blauschiefer. 

Gibt es eine schöne Wein-Story, die ihr gerne teilen würdet? 

Dörte: Ich habe meine Lehre bei Knipser auf dem Weingut gemacht. Wir haben bei uns zu Hause immer mit angepackt – vornehmlich das, was Frauen so machen: Gläser für Tastings spülen oder die Pflege im Weinberg. Ich war ganz wenig im Keller. Als wir dann in meinem ersten Herbst bei Knipsers im Keller die Trauben gepresst und den Wein ins Barrique gelegt haben, sagte der Werner Knipser zu mir: „Siehst du, Dörte, das ist alles keine Zauberei, es ist eigentlich sehr einfach. Du musst gar nicht viel machen. Du musst nur die Qualität des Weinbergs erhalten und auf die Flasche bringen.“

Das war ein Schlüsselmoment für mich, an den ich mich oft erinnere und den ich unlängst auch an einen Lehrling von uns weitergegeben habe. Wenn du ein so gutes Grundprodukt wie unsere Trauben hast, musst du gar nicht viel verändern, sondern es so vorsichtig wie möglich bewahren – das ist ja in der Küche auch nicht anders.

Diese Geschichte schubst meine Erinnerungen an Südafrika an. Gerade die Menschen aus der jüngeren Weinszene ticken da genau so, die wollen den Wein so wenig wie möglich stören. Ist Südafrika für euch noch aktuell? Wie oft seid ihr da? 

Dörte: In jüngerer Zeit war ich regelmäßig, also mindestens einmal im Jahr dort. Für 2021 müssen wir dann mal schauen, wie sich die Lage entwickelt.

Welches Weingut müssten die reisewilligen Leserinnen und Leser in Südafrika besuchen, außer eurer Kooperationsprojekt mit Neil Ellis?

Dörte: Jordan, die machen ganz tolle Weine.

Meike: Für mich ist es etwas schwieriger, dorthin zu reisen, weil wir schulpflichtige Kinder haben. Wenn es dort etwas zu tun gibt, komm ich hier wegen der Schule nicht weg. Und somit war es eher Dörte, die sich in den letzten fünf Jahren darum gekümmert hat.

Aber, wo wir gerade dabei sind …. man spricht bei den Weinen aus Südafrika von „Neuer Welt“. Als wir angefangen haben, mit Neil Ellis zusammenzuarbeiten, war das Erste, was mir aufgefallen ist, dass die dort seit 450 Jahren Wein anbauen – da passt „Neue Welt“ nicht wirklich. 

Wir legen es am Kap nicht darauf an, mega-überreife, fette Wuchtbrummen ins Glas zu bringen. Wir bevorzugen eine eher kühlere Stilistik, z.B. mit einer früheren Lese. Unsere Chardonnay-Reben stehen auch gar nicht im warmen Landesinneren, sondern an der Küste, damit wir da den Wind und die kühleren Temperaturen mitnehmen können. 

Wein trinken und nicht Marmelade
lutschen.

Genau … um nicht nach zwei Schlücken schon von den 15% Alkohol satt zu sein. 

Letzte Fragen-Salve zum Thema Marketing: Was müssen die Leserinnen und Leser unbedingt noch wissen? Warum sollte man mit euch, euren Weinen in Kontakt kommen? Warum sind diese Weine so sexy?

Meike: Oh Gott, Marketing … meine persönliche Sechs-Minus …

 Schallendes Gelächter irritiert eine Gruppe von vorbeiwandernden Rotweinwanderweg-Wanderern.

Julia, was hast du an dieser Stelle gesagt? 
Einwand von Kirsten: Lasst uns diese Frage vertagen, dafür kommen wir dann einfach noch mal wieder. 

Meike: Genau … macht das bitte. 

Wir haben an dem Abend einen Spätburgunder von den beiden entkorkt und auf die Pinot-Sisters angestoßen. Das persönliche Gläserklirren holen wir nach. Denn, wie geschildert, sich es ja nur 148 Kilometer von unserer Haustür zum Weinhaus Meyer-Näkel.

 

Exkurs: 

Exakt sechs Tage später wurde deutlich, dass man eine schlechte Note im Marketing mit einer brillanten Note im Hauptfach überflügeln kann:

Auszug aus der
Pressemitteilung zum
Deutschen Rotweinpreis vom 19.10.2020:

Auffällig beim Rotweinpreis 2020 war eine gewisse Dominanz von Geschwistern. Neben der Auszeichnung für die Brüder Rings freuten sich die Schwestern Dörte und Meike Näkel vom Ahr-Weingut Meyer-Näkel in Dernau. Sie triumphierten in der Königsklasse „Spätburgunder“ gemeinsam mit ihren Kollegen von der Winzergenossenschaft Mayschoss (die damit ihren Erfolg vom Vorjahr bestätigten).

„Im grunde sind es doch die
Verbindungen mit Menschen,
die dem leben seinen Wert geben.“
Wilhelm von Humboldt

Dienstag, 13.10.2020, 18:35 Uhr, Brücke unterhalb der Steinbergsmühle, Dernau

Ankunft am letzten Shooting-Point. An dem Ort, den wir auserkoren hatten, alle zwei- und vierrädrigen Protagonisten des Tages an einem Feuerkorb direkt an der Ahr zusammenzubringen. Diese Location war meiner Schwester Andrea und Mona während ihrer gestrigen Wanderung ins Auge gesprungen. Nach dem Begrüßungskaffee auf dem Campingplatz also erst einmal ein kurzer Ausritt mit dem „Black Sheep“. Ergebnis: Der Platz ist exzellent für unser Vorhaben. Die zufällig anwesenden Gemeindemitarbeiter verstehen meine Frage erst gar nicht, ob wir mit den Fahrzeugen die Böschung runterklettern dürften. Ihre Faszination für die beiden sympathischen Defender räumte alle Bedenken beiseite. 

Mit dem Segen der Gemeinde lenken wir die beiden Hauptdarsteller an den Rand der Ahr. Mariettas Gerd hatte den Feuerkorb beigesteuert und übernahm das Anzünden des Holzes. Die Kühlerfigur des „schwarzen Schafes“, ein original Potije aus Südafrika, welcher vorne rechts auf dem Dachträger arretiert ist, gesellt sich zum Feuerkorb. Getreu dem Motto „viele Hände, leichtes Werk“ schmiegt sich unsere Tafel nebst unplugged-Küche in die Natur ein.

Dann ging es ans Mise-en-Place für die Rotkrautburgundersuppe. Die Story zu dieser kulinarischen Hommage an die Ahr findet ihr unter Soup Hoch3 im PAN Oktober3 

18:57 Uhr,  „Ohne Schluck kein Kampf“

Auf dem Tisch stehen Spätburgunder von Julia, Dörte & Meike … u.a. auch deren legendärer „Kräuterberg“. Wegen der Verbundenheit zu Südafrika hatten wir Tropfen von Donovan Rall, den My Wyn Cabernet Franc und den Kult-Merlot von Shannon zum Entkorken beigesteuert.  Apropos Korken: Elke hatte ihr Versprechen gehalten und bereicherte die Runde um ihre Person und zwei altehrwürdige Weine aus dem Bordelais – einen Château Ducru Beaucaillou aus dem Jahre 1955 und einem Leoville Barton von 1964. Es könnte schlechter laufen. 

19:06 Uhr: Fliegende Champignon-Scheiben lassen den Eifer und den Hunger der Schnibblerinnen erkennen. Das Wurstbrät aus den Wildschweinwürsten wird vom Darm befreit. Die Zutaten finden nach und nach den Weg in den Potije, der inzwischen eine Hochzeit mit Gerds Feuerkorb eingegangen ist. Das Teil ist wie dafür gemacht. Butter brutschelt auf dem Boden dieses Schmortopfes. Der Duft von frischem Knoblauch steigt zu uns auf. 

Während die Suppe sich dem genussfähigen Finale zubrodelt, finde ich Zeit, die Eindrücke des Tages zu reflektieren. Da sitzen wir nun: 

Marietta & Gerd, bei denen ich sicher bin, dass wir Spaß daran haben werden, unsere Freundschaft neu zu beleben. 

Elke, die ich gebeten habe, mich sofort anzurufen, wenn sie mit dem Gedanken spielt, einen alten Château Petrus zu entkorken.

Julia, eine Frau zum sprichwörtlichen „Pferdestehlen“ – wobei ich dabei aufpassen müsste, dass sie auf der Flucht nicht zu viele Äpfel mit dem Schimmel teilt. 

Dörte & Meike, die eine Aura sympathischer Unaufgeregtheit umgibt, die möglicherweise per DNA von ihrem Papa Werner übertragen wurde.

Andrea & Mona, die nunmehr beide vom Tal der Weintrauben-Bäume angefixt sind. Mona so sehr, dass sie eine eigene Reportage darüber verfasst hat, die ihr an dieser Stelle findet: www.archiv.pan-bocholt.de/2020/PAN11-2020/ Ein Dank an Meike & Dörte, die ihr spontane Einblicke in ihr Weingut ermöglicht haben.

 Theo, dem abermals gewohnt routinierten Automotive-Spezialisten, der auch diese abendliche Szenerie für uns festhält, ohne dass wir zum Posen verleitet werden.

Und so sind Kirsten, Paula und ich voll in unserem Element … „Das Leben zu genießen und diese Momente mit netten Menschen zu teilen.“ (rb)

Fotos: Theodor Barth