Indian Summer PART I – Ikonen auf vier Rädern

von | 18, 12, 20 | ALLGEMEIN

 PLATZHIRSCH meets AHRTAL

Donnerstag, 04. Juni 2020, Mittagszeit, Bobby’s Car Wash in Bocholt 

Ich seife unseren „Black Sheep“ mit der langen Bürste ein. Seitdem wir unseren Land Rover Defender vor zwei Jahren mit einem Dachzelt und einer großen Markise übernachtungstauglich veredelt haben, gehört er nicht mehr zur Zielgruppe der Autos, mit denen man in eine Waschstraße fahren kann. Für mich ist die Handwäsche meines Kumpels auf vier Rädern kein erotisches Ritual, wie es bei manchem Deutschen und seinem liebsten Kind anmutet, sondern ein Flashback in ganz alte Zeiten. Mit 15 habe ich allsamstäglich an der BP-Tankstelle von Dieter Dreyer (ein stiller Gruß!) unzählige Fahrzeuge gewaschen, um mein übersichtliches Ausbildungssalär aufzupimpen. Meine kaufmännische Ausbildung in einem Bocholter Autohaus hat mich, im Nachhinein betrachtet, nicht wirklich bereichert, weder intellektuell noch finanziell. Was ich sagen will, ist, dass Autos meine Phase des Heranwachsen geprägt haben. Das Bohnern der Boliden hat mich gelehrt, wie sich gute Autos anfühlen sollten.

42 Jahre später, also quasi heute, seife ich unser „Schwarzes Schaf“ mit seinen Ecken und Kanten ein. Auf diesen Namen haben wir ihn auf dem Campingplatz auf Westerland/Sylt getauft. Aufgrund seiner Farbe hob er sich von allen anderen Rolling-Homes in seinem Umfeld ab, die in den branchenüblichen, hellen Tönen getüncht waren. Seit 2013 bereichert der Defender unseren übersichtlichen Fuhrpark. Gebaut im Jahre 2008 – als Sonderedition zum 60. Geburtstages dieses Kultobjektes. Vorsichtig eingefahren von der Gattin eines Kölner Juweliers. Knapp 30.000 Kilometer hatte der Landy in seinen ersten fünf Jahren nur zurücklegen dürfen. Das kommt dabei raus, wenn Männer ihre automobilen Phantasien über ihre Frauen ausleben. Bei dieser Kölner Juwelen-Familie könnte das so gewesen sein. Diesen Land Rover als klassisches Frauenauto zu bezeichnen, wäre argumentativ ein ziemlich langer Weg. 

Ihr solltet wissen, dass Landfahrerinnen und -fahrer sich dezent-lässig begrüßen, wenn man sich in der Vorbeifahrt begegnet. Es kommt nicht sehr häufig vor, dass ich dann am Lenkrad des anderen Landy eine Lady ausmache. Bei der Frauenquote dieses Oldschool-Driver-Mobils gibt es noch viel Luft nach oben, was aber erklärbar ist. Der Fahrkomfort tendiert gegen Null, der Wendekreis gleicht dem eines Linienbusses … kurzum: man muss schon „einen an der Waffel haben“, um ein solches Fahrzeug regelmäßig zu fahren. 

Auch Kirsten greift nur nach dem Schlüssel, wenn es gar nicht anders geht. Warum fahre ich unser „Black Sheep“ so gerne? Weil er entschleunigt. Mit seinem 130 km/h Höchstgeschwindigkeit wird es den wenigen innerörtlich gesammelten Pünktchen ganz schön einsam auf dem Flensburger Konto. Zudem sind es der Kultstatus, der mich fasziniert, und die vielen Sympathiekundgebungen, die ihm allerorts entgegenschlagen. 

Während ich mit der Spritzdüse noch etwas Glanztrockner auftrage, denke ich darüber nach, ob ich mich jemals von diesem Kumpel trennen möchte. Klares Nein. Wir werden gemeinsam alt werden – auch wenn sein Wert stetig steigt, seitdem im Jahre 2016 seine Produktion eingestellt wurde. Ein ähnliches Treuegelöbnis haben wir gegenüber unserem Mini-Cooper S Cabrio abgegeben, das uns insbesondere in den „offen-fahr-möglichen“ Monaten das Lächeln und den Fahrtwind ins Gesicht treibt. 

Was es zeitnah zu klären gilt, ist ein Kirsten-Paula-Mobil. Gerne mit großem Kofferraum für unsere Fellnase, gerne ein moderner, zeitgemäßer Gegenentwurf zu unseren Kult-Fahrzeugen. 

Beim Einsteigen werfe ich einen Blick auf mein iPhone … „Freundschaftsanfrage von Hartmut Gombsen“ – das kann doch alles kein Zufall sein! 

Dienstag, 09. Juni 2020, 16:55 Uhr / Auszug aus meiner
Facebook-Messenger-Nachricht an Hartmut Gombsen, den Geschäftsführer der Jaguar
I Land Rover Autohäuser Stopka
in Essen und Becker & Stopka in Dinslaken:

„Hallo Herr Gombsen … sorry für die verspätete Bestätigung Ihrer Freundschaftsanfrage … aber es wäre zu kurz gesprungen gewesen, diese nur mit einem Mausklick zu bestätigen. Warum? Ihnen müssen am Donnerstag letzter Woche die Ohren geklingelt haben, als Sie mir die Freundschaftsanfrage gesandt haben. 

Wie schaut es aus, haben Sie in absehbarer Zeit Lust auf einen Plausch bei einem Kaffee? Oder sollen wir uns an einen Ihrer Verkäufer/Berater halten? Dann bliebe allerdings das Vakuum, ob wir im After-Corona-PLATZHIRSCH (November 2020) wieder eine schöne, gemeinsame Story schreiben? (;-)))“

Damals waren wir echt in dem Glauben, dass der Corona-Spuk im Spätherbst hätte Geschichte sein können.  

Dienstag, 09. Juni 2020, 17:30 Uhr / Rückruf von
Hartmut Gombsen, während einer Paula-Runde im Wald

 

Wir bekommen eine der schönsten, ehrlichsten und motivierendsten Rückmeldungen seit dem Bestehen dieses jungen Magazinprojektes PLATZHIRSCH: 

„Hallo Herr Buß. Zunächst einmal ganz liebe Grüße an ihre Frau, wir waren echt angetan von ihren Fotos zu unserem
Jaguar F-Pace im letzten PLATZHIRSCH sowie von der ganzen Story. Eine super gelungene Story, zu der wir tolle Rückmeldungen erhalten. Zudem spüren wir einen deutlichen Anstieg unserer Verkaufszahlen aus Ihrem Revier – auch unter den Gewerbekunden. Wir haben keine andere Idee, als dies auf Ihr Magazin zurückzuführen, da wir ansonsten keine Marketing-Bühnen in Ihrem Bereich nutzen. 

Von daher stellt sich die Frage nicht, ob wir im nächsten PLATZHIRSCH dabei sein wollen, sondern nur das Wie …. mit welcher Story? Was halten Sie von einer Story über den neuen Defender? Dessen Premiere in diesem Jahr ist wegen der Pandemie vollends in den Hintergrund gerückt. Das ist sehr schade, denn es ist ein tolles Auto. Was halten Sie davon?“

 „Finde ich spontan spannend, insbesondere aus der Sicht eines noch skeptischen Besitzers der ursprünglichen Ikone. Was halten Sie von einem Zusammentreffen von altem und neuem Defender, irgendwo wildromantisch in der Natur? Vielleicht im Herbst, wenn die Natur ihre schönsten Farben malt.“ 

„Klingt toll, lassen Sie uns das so machen. Sprechen Sie Herrn Bock an, wenn Sie den neuen Defender entführen wollen.“  

„Da wäre noch was. Der nächste PLATZHIRSCH soll der bislang weiblichste ever werden. Wir wollen nicht, dass man(n) oder frau dieses Magazin in eine eher maskuline Schublade steckt. Es ist an der Zeit für eine Frau auf dem Cover. Wir haben dabei an Anna Nagel gedacht – als Unternehmerin im möglicherweise männerdominierten Automotive-Bereich. Wie schätzen Sie das ein? Wäre Sie dafür empfänglich?“ 

„Ich finde den Gedanken sympathisch, ich schicke Ihnen gleich den Kontakt zu Anna Nagel.“

Nachdem wir aufgelegt haben, poppen Bilder vor meinem geistigen Auge auf. Indian Summer, wann und wo sind die Farben am intensivsten? Klar, im Herbst. Aber welcher Wald, welches Laub färbt sich am schönsten? Zack, da bin ich schon wieder beim Wein. Ich sehe Weinberge, die sich vom satten Grün der Reben in ein ockerfarbenes Gelb verwandeln, um uns anschließend satte Rottöne zu präsentieren. Wir wäre es mit einem Revival-Trip ins Ahrtal – quasi die Erkundung des Rotweinwanderweges mit den Defender-Generationen? Gerne auch mit Verlinkungen zum Wein und deren Machern … besser noch: Macherinnen. Der Zeitpunkt nach der Weinlese scheint mir ideal, also Mitte Oktober. Jepp, so wird ein Schuh draus.

Hartmut Gombsen

Hartmut Gombsen

Geschäftsführer Becker & Stopka, Dinslaken

Samstag, 05. September 2020, 13:30 Uhr, Berthold-Beiz-Boulevard 320 in Essen, Autohaus Stopka

Benedikt Bock überreicht mir den Schlüssel für den Range Rover Velar D300 SE mit dem Kennzeichen E-RR 450. Wir haben besprochen, dass diese Probefahrt zwei Ziele verfolgt: Zum einen, um mögliche Locations für die anstehenden Shootings im Ahrtal zu scouten, zum anderen wollen wir ein Gefühl dafür bekommen, ob dieses Fahrzeug die gewünschte Ergänzung sein kann zu unserem alten Landy und dem Mini Cooper. 

Sonntag, 06. September 2020, 12:16 Uhr, Dernau/Ahrtal

Über Esch gleite ich mit dem Velar durch die Weinberge nach Dernau herunter. Es ist wie damals, im Jahre 1999, als ich zum ersten Mal hier war. Ich bin nach 174 zurückgelegten Kilometern, die dank des Velar sprichwörtlich wie im Fluge vergangen sind (105 Minuten), in einer anderen Welt. Schwer zu fassen, dass ich – abgesehen von zwei klitzekleinen Abstechern – eine so lange Pause eingelegt habe. Ich bewege den Velar auf vertrauten Wegen durch den Weinort. Ich erinnere mich, wo ich zum ersten Mal die Friedensstraße raufgelaufen bin, um zum ersten Mal an einer Jahrgangsverkostung vom Weingut Meyer-Näkel teilzunehmen – einer Pilgerstätte für Freunde des Spätburgunders (Pinot Noir).

Ich checke die ersten möglichen Fotolocations. Ein paar Plätze in den Weinbergen, ein paar Stellen am Fluss. 13:20 Uhr:

Ich kehre in dem vertrauten „Hofgarten“ mitten in Dernau ein. Nach ein paar Wildschwein-Frikadellen mit Senfsauce und Kartoffelpüree geht’s zunächst zum Romantik-Hotel Sankt Peter. Einchecken, kurze Rast, danach folgt Location-Check Part II. 

Um 19:07 Uhr meißele ich „Location Nr. 1“ als gesetzt in unser Drehbuch: die Ahr-Durchfahrt vor Mayschoss. Ein paar nasse Fahrspuren auf der B267 verraten mir, dass kurz vor mir jemand diesen Weg genommen haben muss. Ich lenke den Velar bis an die Wasserkante. Wasserstand und Fließgeschwindigkeit der Ahr lassen erahnen, dass ich bei einer gummibestiefelten Durchquerung zweiter Sieger sein könnte. Der Velar in meinem Rücken scheint etwas lüstern auf diese Herausforderung zu blicken. Dass er klettern kann, hatte er bis hierhin schon bewiesen. Allerdings bin ich mir bei seiner Watttiefe von 65 cm nicht sicher, ob der Wasserspiegel der Ahr für nasse Füsse sorgen könnte. Außerdem wollte ich den Velar ja probefahren und nicht probeschwimmen. Dann kommen wir halt mit dessen großem Bruder zurück – so, wie wir es früher gesagt haben, wenn Stress anstand. Dessen zu durchfahrende Gewässer dürfen nämlich bis zu 90 cm tief sein. 

90 Minuten später sitze ich an diesem lauen Herbstabend bei überbackenen Cannelloni vor dem La Perla in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Beim Abschluss-Cappuccino fließen folgende Notizen in meine Schreibkladde: 1. Unbedingt Cannelloni mit Champignons und Gorgonzola-Sauce nachkochen. 2. Marietta anrufen. 3. Die Rubrik WeinHeiten im PLATZHIRSCH #4 widme ich Werner Meyer-Näkel und der Story von der Bordeaux-Raritätenprobe. 

Mittwoch, 09. September 2020, 18:00 Uhr, in den Räumlichkeiten unseres Verlages an der Münsterstraße 12 in Bocholt. 

Es klingelt an der Tür. Der Fotograf Theo Barth erscheint pünktlich zum Besser-

Kennenlernen. Unser Creative Director Pierre hatte den Kontakt hergestellt. Theo ist der Lebensgefährte seiner Schwägerin Carina und ein Fotograf für Reportagen rund um das Thema Automotive. Nicht zuletzt dank seiner Landy-Photo-Story1 haben wir das erste gemeinsame Projekt realisiert. In „Ready for take off“ ging es um den Mini Cooper John, den Cooper Works GP (nachzulesen in unserem Mutter-Magazin PAN2). 

Uns gefiel Theos unaufgeregte, fokussierte Art, dieses Shooting umzusetzen. „Eine echt coole Socke“, wie uns der Protagonist und Gentleman-Driver Reinhard Nehls anerkennend versicherte. Gründe genug, sich besser kennenzulernen und zukünftige Projekte auszuloten. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der anstehenden Ahrtal-Story, wo Kirsten sich auf das Fahren des neuen Defender konzentrieren soll und nicht auf das Betätigen des Auslösers ihrer Nikon. 

Unsere Faszination für Theo und seine Art, zu fotografieren, bekam an diesem Abend weitere Nahrung. Wir übrigens auch – der Abend fand seinen Fortgang bei überbackenen Cannelloni und Wein in unserer Private- Kitchen-Suite. Ergebnis: Theo war fasziniert von meinen Test-Shots und der Ahrtal-Story und somit gebucht. Zusätzlich stand fest, dass wir euch den Fotografen Theo, seine Sicht zur Fotografie und seine Werke in Form eines Interviews näherbringen. Den Extrakt findet ihr im Anschluss an diese Indian-Summer-Story. 

 Dienstag, 29.09.2020,

10:00 Uhr, Wenningstedt/Sylt 

Beim zweiten Cappuccino während unserer einwöchigen Auszeit wähle ich die Nummer von Marietta. Der Gedanke, sie zu kontaktieren, war beim Location-Scouting im Ahrtal und den vergrabenen Erinnerungen bei mir aufgepoppt. Damals, es muss 1999 gewesen sein, bin ich nach dem Besuch der Jahrgangsweinprobe bei Meyer-Näkel noch mit ein paar Jungs, unter anderem dem Steuerberater von Werner Näkel, beim Feuerwehrfest in Dernau eingekehrt. Nach dem ganzen Rotwein-Probieren kamen ein paar kühle Bierchen recht gut. Mit meinem Anzug und dem weißen Hemd wirkte ich wohl ein wenig overdressed und fehlplatziert. Marietta nahm das wahr und integrierte mich unkompliziert in ihren Freundeskreis. Dort wurde dann die Idee geboren, am nächsten Morgen in den Weinbergen zu frühstücken. Mit ca. zwölf Personen und reichlich Proviant begaben wir uns zu einer Sitzgruppe auf dem Rotweinwanderweg mit Blick über Dernau. Gegen Mittag dröhnte Jazz-Musik an unsere Ohren. „Das ist beim Weingut Riske, da gehen wir gleich hin“, war Mariettas Ansage. Also, feiern können die, spontan sind die auch! Was für nette Menschen hier im Tal – allen voran Marietta, die für mich die Netzwerkerin schlechthin war. Ihr gottgegebenes Talent des sympathischen Netzwerkens war die ersehnte Unterstützung vor Ort, beim Umsetzen unseres Ahrtal-Drehbuches. 

Eine kurze Anfrage über Facebook-Messenger am 29.09. und ihre Antwort nach nur 13 Minuten belegten mir, dass sich daran nichts verändert haben könnte. Kennt ihr das Gefühl, wenn man Menschen so lange nicht gesehen, gesprochen hat und es trotzdem so ist, als ob es gestern gewesen ist, als wir ein paar Gläser haben klingen lassen? Komisch zu hören, dass sie mit ihrem Gerd mittlerweile ca. 20-mal in Südafrika war, zuletzt Anfang 2020 – zu einem Pinot-Noir-Tasting im Hemel-en-Aarde-Valley. Wahrscheinlich sind wir dort unten am Kap ein paarmal aneinander vorbeigefahren – meine Liste der Reisen ins Regenbogenland weist mittlerweile zehn Striche auf. Udo Lindenberg hat sie in einem Hotel in Kapstadt getroffen – wieso mich nicht? 

Dann wenden wir uns dem anstehenden Projekt zu. Wir dürfen uns der Unterstützung von Marietta und Gerd gewiss sein, was Location-Suche, Kontakte zu Winzerinnen, Food, etc. angeht. „Wir bleiben in Kontakt“ ist für Marietta & Gerd keine Floskel, sondern ein ernst gemeintes Versprechen. Ich mag solche Menschen. Es sollte der Beginn einer neu aufkeimenden Wein-Freundschaft sein, mit zahlreichen Kontakten bis heute. (rb) 

Fortsetzung hier …

 

Fotos: Theodor Barth