Progressive Rock, Craft Beer & Papierallergie

von | 18, 03, 20 | ALLGEMEIN

 „Business-unplugged“ 

Ein Facetten-Talk mit Mario Dönnebrink, CEO d.velop

18:00 Uhr, Gescher,
Schildarpstraße 6 – 8
Campus der d.velop AG

Was erwartet mich in meinem ersten persönlichen Kontakt mit Mario Dönnebrink?

Wie tickt der? Wie tickt ein Unternehmen, das die Position des Senior Manager Communications mit einem Deutschen Vize-Meister der Mentalmagie besetzt hat? 

Kirsten und ich schüttelten uns mit genau diesem die Hände zur Begrüßung. Ich hatte Stefan Olschewski ein paar Wochen zurück im Vorgespräch kennengelernt.

Seitdem habe ich ein Gespür dafür, wie sich Personen fühlen könnten, zu denen ich mit meinem Vernehmungs-Background zum Interview auflaufe.

Abgesprochen war, im Interview mit Mario auch dessen persönliche Facetten zu entblättern. Marios VW T6 als Symbol seiner Campingleidenschaft stand vereinbarungsgemäß auf dem Parkplatz. Hält das Wetter, um das Interview wie geplant auf Campingstühlen vor dem Bulli durchzuführen? Oder ziehen wir Plan B? Die Gedanken an den im Meetingraum bereitstehenden Kaffee behielten die Oberhand über die dunklen Wolken am Horizont. Im Meetingraum trafen wir auf duftenden Kaffee und einen unkompliziert anmutenden, sympathischen Mario Dönnebrink. Ein kurzes Briefing zum Interview, wie: 

geplant ist die Länge einesFußballspiels, plus Halbzeit; wenn es erforderlich sein sollte, auch mitVerlängerung

gerne sehr persönlich 

gerne business-unplugged 

sehr gerne spontane Antworten auf die nicht abgesprochenen Fragen 

Mario, gibt es noch etwas, was wichtig ist, bevor wir starten? 

Ich habe mir deine Speaker-Website angesehen, Roland. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du mir Dinge entlocken könntest, die ich eigentlich gar nicht preisgeben möchte. 

Dein Gefühl wird dich nicht täuschen.

(Herzhaftes Gelächter zum Auftakt, so mögen wir es.) 

Okay, zum Warmwerden ein paar kurze Fragen, mit der Bitte um kurze Antworten. 

#01 Sommer oder Winter? 
Sommer.

#02 Bier oder Wein?
Craft Beer.

#03 Meer oder Berge? 
Meer … am liebsten plus Berge. Es gibt fantastische Kombinationen, zum Beispiel im Baskenland.

#04 Früher Vogel oder Nachteule?
Nachteule. 

#05 Sternzeichen?
Löwe.

#06 Norwegen oder Spanien? 
Spanien.

#07 Salzig oder süß?
Salzig.

#08 Buch oder Hörbuch?
Hörbuch. 

#09 Facebook oder Instagram? 
Facebook … aber eigentlich beides.

#10 Sender oder Empfänger?
Am liebsten auch beides.

#11 Fisch oder Fleisch?
Fleisch. 

#12 Tabbert oder Airstream? 
Airstream …. das wird aber wohl ein Wunschtraum bleiben. 

#13 Baujahr? 
1970.

#14 Gehen wir in den Bereich Jugendsünden, gab es da etwas, wie z.B. schräge Frisuren?
Auf jeden Fall. Da habe ich wenig ausgelassen. Farbige Punkfrisuren, Langhaarfrisuren, gepaart mit allen Bekleidungssünden, die man so in der 80ern begehen konnte. 

#15 Kannst du kochen? 
Ich kann, in bestimmten Grenzen, auch kochen. Aber ich brauche Rezepte. 

#16 Was ist dein absolutes Leibgericht? Gerne eine konkrete Antwort, je konkreter, desto besser. 
Ich glaube, das gibt es nicht. Ich probiere immer wieder neue Sachen. 

#17 Ich kann dir jetzt sagen, was dein Facebook-Profil verrät. 
Bestimmt ganz viele Fotos von Essen, und nein, Currywurst ist nicht mein Leibgericht. 

#18 Nein, ich bin da gestolpert über Gambas, Muscheln, Oktopus, Paella
Ja … das sind Impressionen aus Spanien. Jüngst waren wir zum Urlaub in Neuengland.  Auch da spielen Meeresfrüchte eine Riesenrolle. Da kann ich mich schon für begeistern. 

#19 Zur Musik. Ich weiß von Stefan, dass du in einer Heavy-Metal-Band spielst.
Das ist grundsätzlich richtig. Mittlerweile spiele ich in einer Progressiv-Rock-Band. Da haben mich meine experimentellen Wurzeln mit Stücken von Frank Zappa, Mahavishnu Orchestra Ende der 80er, Anfang der 90er wieder eingeholt. Progressive Rock hat viele Jazz-Einflüsse, recht experimentell. Ganz frühe Verfechter waren zum Beispiel Genesis. 

#20 Wie heißt eure Band?
The Prokk. Uns gibt es auf Spotify. Wir haben letztes Jahr noch eine Platte abgeliefert. Wir treten auch auf, wobei wir in diesem Jahr etwas runter gefahren haben. So vier bis fünf Auftritte im Jahr, wie es unsere Zeit erlaubt.

#21 Was ist deine Rolle in dieser Band?
Ich spiele Bass. Man muss etwas Spannendes dazu sagen. Diese Band besteht aus drei Musikern. Zwei Bassisten und ein Schlagzeuger. Das hat uns natürlich vor ein Problem gestellt, denn mit zwei Bässen bekommt man erst einmal nur Gegrummel hin. Es sei denn, man erlernt dieses Instrument wieder ganz von vorne. Und das mit deutlich über vierzig zu machen, war noch mal eine Herausforderung. Wir wollten aber dieses Projekt genau so durchziehen. In der Tat bekommt das einen ganz individuellen, perkussiven Sound, was uns unverwechselbar macht. Einer von uns Bassisten muss immer die Gitarrenrolle übernehmen. Das muss man dann aber auch draufhaben, und das erfordert viel Üben. 

#22 Simple Frage, gibts denn bei euch auch jemanden, der singt?
Ja, die beiden Bassisten.

Also ich freue mich heute Abend auf Spotify. (Lautes Schmunzeln macht sich im Raum breit.http://theprokk.de

#23 Du kannst mir nur ein einziges Musikstück vorspielen, von dem du absolut fasziniert bist … welches wäre das?
Ich finde es immer schwierig, sich eine Sache rauszugreifen, genauso wie beim absoluten Leibgericht. Das gibt es eigentlich nicht. Insofern gibt es auch nicht DAS eine Stück. Ich würde aber Stücke aus der Feder von Steven Wilson empfehlen. Und auf jeden Fall die Band Opeth, die sind stilgebend im Progressive Rock unterwegs. 

#24 Wenn du dir jetzt vorstellst, du spielst mir deren Stücke vor … wo sind wir dann? Bist du noch Verfechter einer schönen Anlage oder wird das alles gestreamt?
Ich streame tatsächlich. Allerdings habe ich meine eigene CD-Sammlung im echten CD-Format eingescannt. Wenn ich neue Platten kaufe, lege ich Wert darauf, dass die im originalen Tonstudio-Format sind, also hochauflösend. Der Anfang der Wiedergabe läuft also digital, aber die Ausgabe ab dem Verstärker muss analog sein. Ich habe wirklich noch einen Mitte-Achtziger-Verstärker zu Hause stehen, mit vernünftigen Boxen aus der gleichen Zeit. Das ist klangtechnisch unerreicht. Und genauso betreibe ich das mit meinem Instrument. Ich habe Instrumente von Bassbauern, die kaum jemand kennt. Das sind individuelle Anfertigungen. Ab dem Bass wird der Ton sofort digitalisiert. Das geht sofort durch digitale Effektgeräte, weil die grenzenlos modulierbar sind. Weil ich morgen einen ganz anderen Sound haben kann als heute, weil ich da eingreifen kann. Aber ab der Wiedergabe, ab dem Verstärker gehe ich wieder auf alte Technologie zurück, in diesem Fall einem Gerät aus den 60ern. Also schwerste Röhrentechnologie, große Boxen. Anders kann man diesen Klang einfach nicht erzeugen. Wir haben zu Hause HiFi-Komponenten aus den 80ern. Die hat meine Frau eingebracht, weil die besser waren als mein Equipment. Wir ziehen einen ehrlichen HiFi-Sound immer noch den kleinen, handlichen Surroundsystemen vor, weil man so die Musik noch verortet bekommt, was für uns Musiker immens wichtig ist. Wir haben diese großen Boxen also nicht entsorgt, wie viele Männer das möglicherweise ihrer Frau zuliebe tun … darf ich das so sagen? Ich habe mal ein paar gute Boxen von unserem Entwicklungschef Rainer Hehmann für ein Mittagessen übernehmen können. (Gelächter) Die stehen heute noch bei uns im Probenraum.

#25 Das kann ich nachvollziehen. Bei uns im Wohnzimmer stehen auch so ein paar „Kindersärge“, wie Kirsten sagen würde, weil ca. 1,30 Meter hoch – und zwar Visaton Experience V 20. Da habe ich gerade einen Leidensgenossen identifiziert, der sich davon trennen „darf“. Ich überlege, ob ich ihm beim „Entsorgen“ helfe. Ich hätte auch schon den richtigen Platz dafür. Die haben vor ca. 30 Jahren ein kleines Vermögen gekostet.
Aus dem Off meldet sich leicht remonstrierend die Stimme, hinter der Kamera, sprich: Kirsten. „Ich bin eine von den Frauen, die sagen, die Boxen dürfen stehenbleiben. Aber ich konnte ja nicht wissen, dass du vorhast, zu übertreiben.“ 

Grandiose Komponenten im Tausch gegen ein paar Äpfel und Eier, wie soll ich daran vorbeidenken? (Gelächter)

#26 Okay, raus aus dem Thema. Ein Schwenk zur Literatur. Es gibt Bücher, die sind in der Lage, dem Leben eine andere Richtung zu geben. Sprich: Man denkt danach ein wenig anders als vorher. Gibt es solche Bücher in deinem Leben? 
Es gibt Bücher, die einen bestätigen, bekräftigen … dazu würde ich die Biographie von Elon Musk zählen, die hat mich sehr begeistert. Genauso wie die Biographie von Steve Jobs, die wahrscheinlich auch sehr viele fasziniert, wenn man davon absieht, dass er privat wohl kein netter Mensch war. Man sollte in seinem Leben nie aufhören zu lernen, und daher kann ich mich sehr gut auf Themen einlassen. Von daher gibt viele Einflüsse aus Büchern, die mich bereichern. 

#27 Gibt es einen Film, der dich zutiefst bewegt oder beeinflusst hat? 
Jetzt muss man meinen Filmgeschmack kennen. Ich schaue sehr gerne mit meinem Sohn Marvel-Filme. Wenn die mich beeinflussen würden, hätte ich ein Problem.
(Gelächter)

Sicherlich haben Regisseure wie Tarantino oder Robert Rodriguez mein Leben ein Stück weit begleitet. Aber das sind Actionfilme, die verändern nichts. 

#28 Was würdest du in ein Poesiealbum in die Rubrik „meine Hobbys“ schreiben,
wenn es das heute noch geben würde?
Bass spielen und Bier brauen.

#29 Okay, dann widmen wir uns dem Bierbrauen. Wann hat dich das denn gepackt? 
Ich hatte gelesen, dass die Gründer der Sierra-Nevada-Brauerei in Kalifornien als Studenten mit dem Brauen angefangen haben – und zwar zu Hause, mit zwei Kochtöpfen. Die sind mittlerweile echt renommiert und räumen einen Preis nach dem anderen ab, was das Pale Ale angeht. Das hat mich herausgefordert. Nach der Lektüre eines Bierbrau-Buches habe ich zunächst davon Anstand genommen, weil es so kompliziert anmutete. Dann habe ich Wochen später einen Artikel gefunden, zu einem Bierbrau-Rezept mit dem Thermomix. 

Zwischengedanke: 

Ich fasse es nicht, denen ist jedes Mittel recht, in deutsche Haushalte zu gelangen … 

Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, warum wir wirklich einen Thermomix gekauft haben.Wenn man zu Hause Bier braut, muss man fast drei Stunden rühren. Das ist richtig anstrengend. Da hatte ich keine Lust drauf. Wir haben noch einen älteren Thermomix. Da stellt man am Drehschalter die Gradzahl des Rührwerkes ein. Ich weiß nicht, ob das ein Zufall ist, aber dieses Gerät hat witzigerweise die idealen Rasttemperaturen für Bier. (Gelächter)

Ich habe dann am Samstag in der Küche ein Pale Ale gebraut und zum Gären in einen Edelstahlkochtopf weggestellt. Das Ergebnis war trinkbar, aber nicht gut. Ich wusste aber, was ich falsch gemacht hatte. Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch. Ich habe dem Bier nicht die Ruhe gegeben, die es beim Gären braucht. Ich habe fleißig gerührt – das ist das Schlimmste, was man mit einem Bier machen kann, wie ich mittlerweile weiß. Das trägt Sauerstoff ein, das stresst die Hefe. Die bricht viel zu früh ab, Zucker in Alkohol umzuwandeln. Man trinkt dann hinterher etwas, was an einen Brottrunk erinnert.

Jetzt wusste ich jedoch, dass und wie es geht. Beim zweiten Versuch hatten wir schon ein richtig phantastisches Bier. Eins der leckersten, was ich bis dato getrunken habe. 

Das hat mich beflügelt, eine Hobbybrau-Anlage zu kaufen, im höheren dreistelligen Bereich. Damit kann man 20-25 Liter herstellen. Wenn ich „wir“ sage, meine ich den anderen Bassisten aus unserer Band und mich. 

Wir haben einige Male zusammen gebraut, immer mit einem guten Ergebnis. Wir haben an Hobby-Brau-Meisterschaften teilgenommen, zuletzt bei Maisels, jetzt im September bei der Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer bei Störtebeker in Stralsund.

Inzwischen haben wir zwei kleine Brauanlagen. Die 20 Liter, sprich: die 40 Flaschen pro Produktion, wurden wir immer ganz schnell los an Freunde, die probieren wollten. 

Dann haben wir uns vorgenommen, 1.000 Liter Bier zu brauen. Ich habe zwei Jahre nach einer Brauerei gesucht, die eine so geringe Menge produzieren kann und will. Diese befindet sich in Haaksbergen, der Partnerstadt meines Geburtsortes Ahaus. Die liegt zwölf Minuten von zu Hause entfernt, so dass man zwischendurch auch mal den Segen über das Bier schlagen kann, beim Lagern. (Schmunzeln) Diese Menge haben wir am letzten Samstag unter dem Label „Ahauser Hopfenkopp“ in den Handel gebracht. http://hmbassbrauer.de

#30 Wie lange ist das denn her, dass du den Thermomix zweckentfremdet hast?
Zwei Jahre und acht Monate.

#31 Kennst du die Inselbrauerei auf Rügen?
Ich war noch nicht dort, aber ich kenne deren Bier, das ist phantastisch. Die spielen wirklich in den oberen Ligen. 

#32 Wir haben die besucht und einen Bericht darüber geschrieben.
Die machen das mit Sicherheit mit Herzblut, denn ansonsten kann man ein so tolles Bier nicht produzieren. Allerdings muss man so etwas auch durchstehen. Craft Beer kommt gerade erst in Deutschland an. Und solche Preise dafür aufzurufen, ist schon sehr ambitioniert. 

Da ist weltweit eine Bier-Revolution im Gange. In Deutschland hinken wir da meilenweit hinterher. Neulich in Neuengland, da waren wir in einem Dorf, da gab es nicht mal einen Supermarkt – aber eine Craft-Beer-Brewery. Traurigerweise ist in den weltweiten Bierführern vermerkt, dass man Deutschland weiträumig umfahren beziehungsweise um-trinken sollte. Und wir waren das Mutterland des Bieres! Aber mein Freund und ich tragen ja einen bescheidenen Teil dazu bei, dass sich das ändert.

#33 Das war jetzt eine lange und spannende Exkursion in die Bierwelt …
Da hast auch danach gefragt!
Stimmt … aktiv provozierendes Opfer, würde man in der Kriminologie sagen. (Schmunzeln)

#34 Wo würden dich die Leserinnen und Leser antreffen, wenn du sagst, du bist an deinem absoluten Lieblingsplatz?Ganz klar zwischen dem Campingplatz Zarautz (Baskenland) und dem Strand. Auf einer der beiden Wiesen an der Steilküste. Der Strand liegt exakt 100 Meter tiefer. Da führt so ein langer Pfad her, wo immer mal wieder ein paar Surfer mit ihrem Brett unterm Arm unterwegs sind. Das ist der schönste Platz, den ich mir vorstellen kann. 

#35 Gibt es ein Lebensmotto, ein Zitat, was dich trägt, was Du gerne teilst?
In Bezug auf die Digitalisierung: „Ich habe keine Furcht vor neuen Ideen, es sind die alten, die mich ängstigen.“
Ein vollkommen übergreifendes Lebensmotto, was ich auch meinen Kindern vermittele, ist dieses einfache Sprichwort, was auch wir erlernt haben: „Was du nicht willst, das man dir tut, das füge auch keinem anderen zu.“ Da steckt nämlich unfassbar viel Wahrheit drin. Das kann ich auf vieles übertragen, wie z.B. Respekt. Das ist eine ganz, ganz einfache Regel. Wenn man die befolgt, kommt man extrem gut durchs Leben – behaupte ich. 

#36 Der liebe Gott ist i.d.R. sehr gerecht im Verteilen von Talenten. Mit welchem Talent wärest du gerne gesegnet worden?
Jetzt muss ich meine Frau zitieren. Du kennst die Redewendung „Der hat zwei linke Hände“. Meine Frau sagt jedem, auch demjenigen, der es nicht hören will: „Der hat vier Füße.“ Ich bin handwerklich komplett talentbefreit – bis auf das Bierbrauen. (Gelächter)

#37 Auch wenn das kaum vorstellbar ist, was ist deine schrulligste Macke?
Vorsichtig ausgedrückt, ich bin sehr ordnungsliebend. Meine Kinder haben mich zeitweise Mr. Monk genannt, wenn euch das etwas sagt. (Gelächter)

#38 Passt dazu auch eine Lego-Leidenschaft, ich habe da was auf Facebook gesehen?
Ich habe mal mit meiner Tochter einen alten T1-Bulli aus Lego gebaut. Das ging über Wochen. Das hat unfassbar viel Spaß gemacht. Am Anfang habe ich meiner Tochter die Steine angegeben, weil ich mich ja technisch gut auskenne – habe ich zumindest gedacht. Das hat sich ganz schnell gedreht. Meine Tochter hat den Plan gehalten und mir gesagt, wo welcher Stein hingehört. 

#39 Es gibt Menschen, die sind gegen Gräserpollen allergisch oder gegen Meeresfrüchte zum Beispiel. Auf wen reagierst du allergisch? Welcher Menschenschlag bekommt dir nicht?
Die nicht-offenen Menschen. Wenn jemand alles sofort kategorisch ablehnt und sich weigert, neuen Ideen ihren Raum zu geben, sich damit auseinanderzusetzen. 

#40 Kommen wir zum Thema Abgründe. Facebook verrät, dass du Fan vom BVB bist. 
(Schmunzeln) Ich muss mir doch mal mein Profil anschauen. Ich wusste gar nicht, dass ich so viel öffentlich gemacht habe. Aber ja, das stimmt, der BVB ist mein Verein. 

#41 Gibt es Menschen, zu denen du gerne heraufschaust, denen du gedanklich gerne folgst …
früher sagte man Idole dazu?
Nicht als wirkliches Idol, aber wer mich unheimlich fasziniert, ist Hans Joachim Watzke, der  Geschäftsführer von Borussia Dortmund. Wir hatten das Glück, ihn zu unserem d.velop-Forum als Keynote-Speaker buchen zu können. Bis dahin war ich noch kein BVB-Fan, jetzt bin ich einer. Was wir damals bei seiner Verpflichtung nicht wissen konnten, dass die mit dieser jungen Nachwuchsmannschaft tatsächlich in dem Jahr auch Deutscher Meister geworden sind. Der ist dann aus diesem Freudentaumel heraus bei uns aufgeschlagen und hat seine Keynote gehalten.

Er konnte diese faszinierende Geschichte berichten, von dem Moment an, wo sie ihn geholt haben, als Abwickler der Insolvenz dieses Traditionsvereins. Quasi als Geschäftsführer, der losgeht zum Amtsgericht und den Insolvenzantrag stellt – bis hin zum Gewinn der Meisterschaft vor wenigen Tagen.

Dieser Mann hat eine unglaubliche Authentizität und Aura. Der steht da auf der Bühne und da ist nichts anderes mehr wichtig. Das ist auch wohl ein großer Teil seines Erfolges. Er hat eine unheimlich tolle Art, zu sprechen. Der hat seine Geschichte erzählt, wie der nachts mit dem Wissen, am nächsten Tag Insolvenz anmelden zu müssen, über Büchern und Bilanzen gehangen hat. Und sich dann entschieden hat, dass es da noch einen anderen Weg gibt. Er sah die Möglichkeit, bestimmte Spieler zu verkaufen und damit Geld zusammenzukratzen. Dies mit den Gläubigern zu kommunizieren – die Alternativen aufzuzeigen zwischen „Nichts bekommen“ und 2-3 Jahre abzuwarten.

Er hat dann eine neue Marke kreiert, die da lautet „schönen Fussball spielen.“ Und dies vornehmlich mit No-Names. Damit hat er die Gläubiger überzeugen können, das Geld nicht einzufordern. Das hat mich extrem fasziniert. Vor allem, wenn man dann hinschaut, wo das hingeführt hat. Verrückterweise bis zum Gewinn der Meisterschaft. 

#42 Mario, wie gehst du mit deinen Ideen, Geistesblitzen, Impulsen um? Wie werden die archiviert?
Analog oder digital?
Die notiere ich mir in meinem digitalen Notizbuch. Dann lass ich sie erst einmal liegen, damit sie im Hintergrund weiterarbeiten. Mit einem gewissen zeitlichen Abstand hole ich sie hervor und bewerte, ob sie noch Relevanz haben. 

Wenn sie für unser operatives Geschäft wichtig sein könnten, gebe ich sie ins Team. An manchen Themen bleibe ich auch persönlich dran, wie z.B. die Elektrifizierung unseres Firmen-Fuhrparks. Oder der Etablierung eines Standortes in Münster, damit Mitarbeiter nicht mehr pendeln müssen. 

Diese Ideen skizziere ich tatsächlich als Bild, damit ich das visuell präsent habe, z.B. auch mal als Bildschirmhintergrund. Das bleibt dann im Kopf und realisiert sich dann irgendwann von selbst. 

 #43 iPhone oder Android?
iPhone, seit etwa drei Jahren. Ich war vorher fast schon Android-Jünger, muss man sagen. Ich habe die Hochpreisigkeit der iPhones abgelehnt und diese Geschlossenheit des Systems Apple.

Ich habe dann irgendwann festgestellt, dass ich der einzig verbliebene Android-Nutzer bei uns im Unternehmen war und alle anderen gewechselt hatten. Das hatte auch sicherheitsrelevante Hintergründe. Die Android-Welt ist da zerklüftet. Bei sicherheitsrelevanten Upgrades kann es schon ein paar Monate dauern, bevor jedes Smartphone damit ausgestattet ist. 

Man hat mir dann zwei Geräte zur Verfügung gestellt, wo es diese Sicherheitsrisiken nicht gibt. Eins davon war ein iPhone. Ich habe den exakt gleichen Datenbestand auf beiden Geräten hergestellt, was heute ja denkbar einfach ist. Mit jedem Gerät habe ich dann zwei Tage gearbeitet. Meine Erkenntnis: Die sind gleich gut. Als Musiker habe ich jedoch zu Hause ein MacBook, das ich für Aufnahmen brauche. Mir ist dann aufgefallen, dass das Zusammenspiel zwischen dem iPhone und dem MacBook so phantastisch war, dass ich von heute auf morgen zum glühenden Apple-Verfechter mutiert bin. 

#44 Hast du einen ultimativen App-Tipp für uns? 
(Kurzes Grübeln) Ja, foxdox, aus unserem Hause. Die kann Dokumente vorhalten. Als Privatanwender bin ich in der Lage, meinen kompletten Papierkram äußerst einfach zu digitalisieren und denkbar einfach abzuspeichern. Die liegen dann in einer sicheren deutschen Cloud, nämlich bei d.velop. Mit dieser App habe ich meinen kompletten Papierbestand beseitigt. Bei uns zu Hause gibt es bis auf die Zeugnisse der Kinder, meine eigenen (aus Nostalgiegründen) und unsere Grundstückskaufurkunde keinen Fetzen Papier mehr. Als ich gemerkt habe, wie gut das funktioniert, habe ich alle Ordner in Umzugskartons gepackt. Ich bin dann zu einem Partner-Unternehmen von uns gefahren und habe alles digitalisieren lassen. Die Ordner habe ich zwei Wochen später vernichten lassen. 

Das macht auch richtig Spaß, auch Dinge finden zu können. Meine Frau hat immer die Ablage bei uns zu Hause gemacht. Deren System durchblicke ich einfach nicht. Und ich habe nie etwas gefunden, keine einzige Rechnung. Seitdem ich foxdox nutze, kann ich mir einfach per Stichwortsuche alles anzeigen lassen. 

Bei aller Nostalgie … das klingt schon verlockend, nicht mehr in Projektkisten und Kladden abtauchen zu müssen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir mal ein paar Probe-Kartons digitalisieren lassen. www.foxdox.de

Vom Persönlichen zum Job: der Vita 

#45 Wie wird man CEO von d.velop, und wie lange braucht man dafür? 
Ich bin als Student der Wirtschaftswissenschaften in Münster schon immer sehr interessiert an Software gewesen. Ich habe wenig Zeit im Hörsaal verbracht. Ich war überwiegend in einer WG mit meinem Kollegen. Wir haben dort an Linux-Systemen gearbeitet. Wir haben dort Löcher durch die Wände gebohrt und uns mit Bnc-Kabel vernetzt. 

Die Liebe zu Software und zu den Computern war geboren. Nach dem Studium sind alle meine Kommilitonen zu Konzernen wie Sony, Unilever, etc. gewechselt. Für mich stand fest, dass ich bei einem mittelständischen Unternehmen arbeiten will. Und zwar dort, wo ich den Unterschied machen kann, wo ich Einfluss nehmen kann. In meiner Geburtsstadt gibt es eine Software-Company mit dem Namen TOBIT. Da habe ich dann angefangen. Auf der Uni lernt man viel, aber man lernt nicht, es einzusetzen. Und bei TOBIT habe ich unfassbar viel gelernt – wie ich dieses Hörsaalwissen auch tatsächlich einsetzen kann. Wie man Vertriebspartner-Systeme umsetzt, wie man komplexe und erklärungsbedürftige Software ein Stück weit emotional an den Mann bringt. Kurzum, das war eine fantastische, lehrreiche Zeit. TOBIT war damals schon relativ groß: 200 Mitarbeiter ungefähr 350.000 Unternehmenskunden und diese richtig weit verbreitet.

Dann bekam ich irgendwann einen Anruf von Christoph Pliete, einem der Gründer von d.velop. Christoph fragte mich, ob ich nicht bei d.velop anfangen will. Man habe zwar ein Fachhandelsprogramm gegründet, aber da würde ein Mann alleine auf weiter Flur kämpfen. Der bräuchte Unterstützung, ob ich mir das nicht vorstellen könnte. 

Ich war damals Mitglied des Management-Gremiums von TOBIT. Ich hatte keine Gewissheit, hier bei d.velop auch einen Management-Posten zu bekommen. Das Unternehmen hatte damals 45 Mitarbeiter und viel weniger Umsatz als TOBIT. Aber mich faszinierte deren Ausrichtung auf das Dokumenten-Management. Ich habe es immer gehasst, Papier suchen zu müssen. Ich habe damals schon gesagt: 

„Dokumente sind die Geißeln der Menschheit.“

Es gibt nichts Schlimmeres. Papierdokumente halten einen von der Arbeit ab und von dem, was man gerne tut. Also muss ich mithelfen, diese Dinger zu beseitigen. Damals hatte die d.velop schon ein Softwaremodul zur Verfügung, was Informationen mittels KI aus Dokumenten extrahiert hat – das war im Jahre 2003. Damals durfte man das noch nicht KI nennen, da hätten Menschen Angst bekommen. Aber es war klar, dass dort über Algorithmen und mit Hilfe von neuronalen Netzen gearbeitet wurde. Für mich stand fest, wenn ein Unternehmen hier in der Region eine Zukunft hat, dann d.velop. Darum habe ich hier angefangen.Zu Anfang 2012 wurde ich in den Vorstand berufen. Also, um deine Frage zu beantworten: Man braucht gut acht Jahre. d.velop

#46 Mario, das Unternehmen d.velop wird angeführt von einer Doppelspitze, bestehend aus Christoph Pliete und dir. Was unterscheidet euch?
Zunächst einmal das Alter, ich bin ein wenig jünger als Christoph. Ich bin manchmal ein wenig ungeduldiger. Und manchmal habe ich die eher spinnerte Idee. Der Christoph kann extrem gut an Autos rumbasteln, ich ja bekanntlich nicht.

Christoph ist sehr stark dem klassischen Projektgeschäft verbunden, da hat er sehr viel Erfahrung. Wohingegen ich mehr aus dem Produkt-/Systemorientierten Geschäft komme. Wobei ich diese Projekt-Geschäftsstrukturen hier bei d.velop extrem zu schätzen gelernt habe. Ich habe am Anfang beispielsweise überhaupt nicht verstanden, warum man einen Direktverkauf von Software macht, Kunden direkt betreut, wenn man doch ein Fachhandels-/Vertriebspartner-Netz hat. Mir ist aber sehr schnell klar geworden, wie wichtig das ist, Leuchtturmkunden zu haben, zu denen man einen ganz intensiven Kontakt pflegt.

#47 Was verbindet euch, was ist eure Erfolgsformel?
Zwischen uns gibt es sehr viele Parallelen. Christoph hat auch einen Gitarrenverstärker zu Hause. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Aber wir arbeiten unheimlich unkompliziert zusammen. Wenn ich eine Idee habe, gehe ich einfach zu Christoph rein. Das ist dann nicht angesetzt, sprich: terminiert und dauert auch nicht mehrere Stunden. Sondern lieber mal 15 Minuten und dafür spontan und intensiv. Wir betrachten die Idee dann aus unseren unterschiedlichen Perspektiven und dabei reift sie. Unsere Unterschiedlichkeit wird dann zu einer Vollkommenheit. Jemand wie Christoph mit seiner Lebenserfahrung und seiner Gelassenheit – und dann ich mit meiner Ungeduld, das fügt sich dann zu etwas Gutem zusammen. 

#48 Für die Unternehmen, die euch noch nicht kennen, für welches Problem seid ihr die Lösung?
Der klassische Begriff lautet Dokumenten-Management. International nennt sich das Enterprise-Content-Management. Da würden Branchenkenner wieder trennscharf unterscheiden wollen. Ich sehe das inzwischen in einem viel größeren Kontext. Wir sind nicht ausschließlich dafür verantwortlich, die Dokumente unserer Kunden zu speichern und auffindbar zu machen. Wir beschäftigen uns auch damit, die Mitarbeiter unserer Kunden miteinander zu vernetzen und Informationen auszutauschen. Um so komplexe Arbeitsabläufe zu optimieren und stark zu vereinfachen. 

Ich weiß nicht, ob ich das jetzt gut erklärt habe. Das bedeutet, dass wir direkt am Digital-Workplace arbeiten, mit dem Ziel, dem Menschen einfach Zeit zurückzugeben. Wie oft wird stundenlang nach einem Dokument gesucht, was in Papierform da sein müsste. Das geht innerhalb von Sekunden, wenn ich dies auf elektronischem Wege mache. Wie lange ist eine Rechnung im Unternehmen unterwegs, bis sie freigezeichnet ist? Dann habe ich jede Skontofrist verloren. Das macht unser System vollautomatisch. Da liest eine KI drüber, stellt all die Informationen fest, die gegeben sein müssen, damit eine solche Rechnung vorsteuerabzugsberechtigt ist. Dann geht sie durch einen Rechnungseingangsworkflow bis zur Verbuchung, teilweise bis zum Bezahlvorschlag. Solche Vorgänge geben den Menschen im Unternehmen Zeit, sich dem wirklich Sinnvollen widmen zu können. Zeit für die Kunden und die eigenen Produkte. 

#49 Reden wir über den Campus. Seit wann gibt es den, und was war die Gründungsidee?
Die ersten Gedanken dazu haben wir uns 2012 gemacht. Wir waren an einem Punkt, wo wir ein neues Gebäude benötigten. Das kann man herkömmlich machen, sprich: ein neues Gebäude dazusetzen. Wo man sich aber gleichsam ärgert, dass man schon wieder Geld dafür in die Hand nehmen muss. Geld, das man lieber in die eigenen Produkte investieren würde. 

Wir haben auch analysiert, dass wir langfristig ein Problem bekommen könnten, wenn wir nicht auf die demografische Entwicklung Rücksicht nehmen. Man kann nicht übersehen, dass aus dieser Region viele junge Menschen abwandern. Dieser Trend, in größere Städte abzuwandern, wird schon recht früh in die eingepflanzt. 

Wir haben hier eine der geburtenstärksten Regionen überhaupt in Deutschland, und trotzdem sind die Menschen nach der Ausbildung weg. Das ist nicht gut für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region, das macht sie auch nicht attraktiver. Diese Zusammenhänge waren uns klar. Dann haben wir mit einigen Unternehmen aus der direkten Nähe gesprochen, und sie zu einem Austausch eingeladen. 

Wir haben an einem Flip-Chart visualisiert, wie viele Menschen jedes Unternehmen in den nächsten fünf Jahren einstellen will. Die Zahlen haben wir aufaddiert und dann war jedem im Raum klar, dass wir das niemals alleine schaffen können. Wir haben die Hypothese aufgestellt, dass wir mehr IT-Fachkräfte in die Region bekommen könnten, wenn jeder sich nicht nur auf sich selber konzentriert. 

Damit war die Idee vom Campus geboren, wo man ein Fitnessstudio anbietet. Wo man eine Kita einrichten kann und eine attraktive Kantine mit frischem Essen. Die Idee war, zunächst ein zentrales Gebäude einzurichten, wo sich die Kommunikationen aller Unternehmen, Gäste und Besucher treffen. Wo wir eine Sharing-Economy betreiben: mit repräsentativen Meeting- und Schulungsräumen, Kantine und einer Cafeteria. Auf die jeder Campus-Teilnehmer zurückgreifen kann. Der Entwurf dieses Zentral-Gebäudes, in dem wir uns jetzt befinden, war dann schon sehr komplex und aufwändig. Danach wurden hier zweckorientierte Gebäude errichtet. Damit wird das Ganze höchst effektiv. Hinzu kam, dass wir Begegnungen zwischen Menschen aus unterschiedlichen Arbeitswelten ermöglicht haben, und dabei entstehen Innovationen.

Wir sind 2014 in die Umsetzung gegangen. Wir konnten hier eine Fläche von 33.000 Quadratmetern erwerben. Die Stadt Gescher hat uns massiv unterstützt. 

So konnten wir diese Idee realisieren. Wir haben inzwischen 50 Prozent der Flächen vermarktet. 18 Unternehmen sind inzwischen hier, und wir haben noch Luft für die eigene Expansion. Auf dem Campus arbeiten über 700 Mitarbeiter, davon ca. 400 bei uns. Man muss sagen, dass das Ganze eine wirkliche Erfolgsstory geworden ist. 2017 sind wir hier eingezogen und inzwischen ist die Kita eröffnet. 

#50 In die Zukunft geschaut, gibt es etwas hier am Campus, was ihr jetzt schon teilen mögt?
Wir denken darüber nach, hier ein Boardinghouse zu errichten. Diese Grundidee der Steigerung der Attraktivität dieser Region beginnt, Früchte zu tragen, es zieht Kollegen von außerhalb zu uns. Damit die in Ruhe ankommen können, würden wir denen gerne ein solches Umfeld schaffen. Vielleicht mit einem Bistro, vielleicht mit einer Gastronomie für die Abendstunden. Dann würde sich der Kreis zu dem Craft Beer auch wieder schließen. (Schmunzeln)

#51 Sprechen wir über die Menschen im Team d.velop. Wie denkst du, wie denkt ihr über das Thema Führung?
Es sollte einem klar sein, dass alles darauf abzielt, sich selbst unnötig zu machen. Dazu muss man delegieren können. Man muss sich selbst Freiräume schaffen, um an den nächsten Ideen arbeiten zu können. 

Wir pflegen hier sehr intensiv, dass wir uns duzen. Unsere Türen sollen immer offen sein. Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, wo Fehler gemacht werden sollen, weil man nur aus Fehlern lernen kann. Also nicht nur dürfen, nein: man soll sich etwas trauen, man soll Fehler machen. Und wenn man sehr schnell lernt, dann ist man schneller als andere und bekommt so die Ideen auch viel schneller realisiert und am Markt verfügbar gemacht.

Man sagt uns einen gewissen d.velop-Spirit nach. Das kann man erst einmal sehr schwer greifen, aber das ist das, was uns unsere Belegschaft spiegelt. Beispielsweise werden neue Kollegen unheimlich schnell eingearbeitet, auch in sehr komplexe Sachverhalte. Das geht nur, wenn jeder mit anpackt, jeder Verantwortung übernimmt und wenn grenzenloses Vertrauen vorhanden ist. Das rührt noch von unserer Gründerpersönlichkeit Christoph Pliete, der immer gesagt hat: 

„Mein Misstrauen muss man sich erst einmal erarbeiten.“ (Christoph Pliete)

Das trägt bis heute extrem gut. 

#52 Stefan hat erzählt, dass ihr seit 2017 in einer neuen Organisationsform unterwegs seit, Stichwort: Selbstorganisation. Wo kommt der Impuls her und wie sieht die konkrete Umsetzung aus?
Man schnappt so etwas auf, wenn man mit offenen Augen durch das eigene Unternehmen geht. Oder wenn man Fachartikel in Wirtschaftsmagazinen liest. Indem man Hörbücher und bestimmte Podcasts hört. 

Mir ist sehr schnell klar geworden, dass wir vor sehr komplexen, neuen Herausforderungen stehen und das auch schon spüren. Wir hatten quasi von heute auf morgen, nur durch Veränderungen der Märkte, 70 neue Mitbewerber bekommen. Wir haben ein paar Tage recherchiert und dann waren das nicht vier oder fünf, wie wir gedacht haben, sondern weitaus mehr. Uns ist schlagartig klar geworden, dass wir in einer Welt leben, wo sich die Märkte nicht mehr linear, kalkulierbar verändern, sondern sehr sprunghaft. Wo sich die Anforderungen unserer Kunden massiv und schneller ändern, als das bislang der Fall war. All das, was ich in der Literatur gelesen habe, passte mit dem überein, was wir in der Realität spürten.

Dann kam die Beobachtung aus dem eigenen Unternehmen hinzu. Christoph ist damals mit zwei Mitarbeitern gestartet. Als ich hinzukam, waren wir 45 Mitarbeiter, aber eigentlich noch ein Start-up. Der Kunde stand für uns im Mittelpunkt, und wir waren sehr nah an ihm dran. Wenn man dann eine gewisse Größenordnung erreicht hat, die würde ich irgendwo bei ca. 250 Mitarbeitern sehen, hat man sich optimiert im betriebswirtschaftlichen Sinne. Man ist dann effizienter und setzt alles um, was man auf der Uni gelernt hat. Man hat riesengroße Abteilungen und Hierarchien. Mit dem Effekt, dass manche Ideen und manche Kritik gar nicht mehr bei uns im Management ankommt. Man konnte merken, dass aus historischen Wachstum heraus genau das passiert war, was wir mit großen Industrieunternehmen gemein haben … wir waren zu langsam geworden. Und einige Mitarbeiter waren nicht mehr dicht genug am Kunden.

Wir haben dann die Entscheidungswege getrennt. Entscheidungen über die Kernstrategien treffen wir im Top-Management. Alle Strategien zur erfolgreichen Vermarktung unserer Produkte in den verschiedenen Branchen, in den verschiedenen Fachlösungen, treffen ab sofort die Teams. 

Diese Teams gab es aber noch nicht, d.h. wir haben sie gegründet. Wir haben fünf Fachbereiche aus unserem Unternehmen aufgelöst und daraus 40 kleine Teams gebildet. Jedes dieser Teams hat die Verantwortung für ein bestimmtes Thema bekommen. Diese Teams sind vollkommen autark und autonom. 

Das findet man in der Literatur unter holokratische Organisationsmodelle. Die sind mir aber zu starr, man bleibt in Mustern, man muss Lizenzen bezahlen, wenn man es anwendet. Das sind sehr amerikanische Modelle. 

Wir hatten uns als d.velop bereits über 20 Jahre entwickelt, und wir ticken ganz anders als die Amerikaner. Also haben wir gesagt, wir nehmen uns das Beste aus diesen Welten und gestalten unsere eigene d.velop-Organisationsform. Wir fördern damit die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen und das Unternehmertum im Unternehmen d.velop.

Wir haben jetzt extrem agile Teams und Shared-Services wie die Buchhaltung. Und weil man so etwas nicht verordnen kann, haben wir die Organisationsform gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestaltet.

Wir sind mit allen in eine Workshop-Reihe gegangen. Wir haben zugelassen, dass die ganze Organisationsform von den Mitarbeitern entwickelt wurde. Da wir das Ergebnis nicht kennen konnten, hatte ich einen großen Respekt vor diesem Ansatz.

Wenn wir Dinge vorgedacht hätten, hätte es den Anschein einer Pseudo-Beteiligung gehabt. Natürlich hatten wir vorausgeplant und natürlich hatten wir uns eine Art Zielbild gemacht, wie denn ein Unternehmen mit 40 Teams aussehen könnte. Wir hatten Strukturen auf dem Papier geschaffen, wir hatten auch schon Teams benannt. Das alles haben wir dann aber in die Schublade gelegt.

Wir waren uns sicher, dass wir damit ca. 80% des Ergebnisses vorgedacht haben. Den Rest wollten wir von unseren Mitarbeitern in den Workshops lernen. Die Workshops waren  phantastisch, weil unsere Mitarbeiter erkannt haben, dass sie echt mitgestalten konnten. Kreativität ist ja auch eine Massengeschichte, 450 Menschen haben einfach mehr Ideen als das Management.

Unsere Bilanz war, dass wir mit unserem Management-Team lediglich 30% bedacht hatten. Wir hatten einfach ganz viele Dinge übersehen. 

Wir haben dann gemeinsam das Bewusstsein entwickelt, dass dieses Ergebnis nunmehr unsere Start-Struktur ist. Wieder von dem Gedanken getragen, dass wir Fehler machen werden, daraus lernen und unser System anpassen. Das ist eine selbstlernende, adaptive Organisation.

#53 Wie dürfen wir uns ein solches Team vorstellen?
Ein Team muss mindestens fünf Mitglieder haben. Bei 15 Leuten gibt es eine Empfehlung, das Team zu splitten. Die Kriterien dafür sollen in den Teams selbst entwickelt werden. Ab 25 Menschen gibt es eine Zwangsteilung, dann würde das Management-Team einschreiten. 

#54 Wie funktioniert Führung in einem solchen Team? Oder wird diese komplett ausgeblendet?
Nein, Führung kann nicht ausgeblendet werden. Allerdings ist die nicht mit einer Hierarchie verbunden. Wir haben in jedem Team jemanden, der für die persönliche Weiterentwicklung der Menschen im Team verantwortlich ist. Wir haben eine Person, die fürs operative Geschäft verantwortlich ist, auch für den direkten Kontakt mit den Kunden. Insofern für die externen Belange, somit kürzen wir diese Position auch mit „E“ ab, für External. Die Person, die für die persönliche Entwicklung und für die Strategie im Team verantwortlich ist, kürzen wir mit „L“ für Leader ab. Und dann gibt es eine Person „I“ (Internal), die die Prozesse im Team beobachtet, anpasst und auch in Verbindung mit anderen Teams, also zellübergreifend.

Wichtig ist, dass dies keine Hauptjobs sind, die drei Führungspersönlichkeiten binden würden, sondern den Leader mit etwa 50%, den External mit 30% und den Internal mit 20% seiner Arbeitszeit. Warum machen wir das so? Weil es Führungsaufgaben gibt, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Man kann nicht einem Mitarbeiter eine Qualifizierung empfehlen und gleichzeitig die Schlagzahl erhöhen, weil ein Projektabschluss bevorsteht.

Wichtig ist, zu verstehen, dass es keine Rolle ist, sondern eine Aufgabe, die man wahrnimmt. 

Münsterland Valley

#55 Ich habe auf Google-Maps die Standorte von TOBIT, d.velop, Shopware und NETGO markiert. Haben wir damit einen der größeren Player übersehen?
Nein, eigentlich nicht. Das sind schon die größten Player im IT-Bereich. 

#56 Das ist eine Fläche von 178 Quadratkilometern. Wenn man die als Vogel im Direktflug abfliegen würde, wären das 76 Kilometer. Also ein sehr eng umgrenzter Bereich, dieses Dreieck zwischen Borken, Gescher, Schöppingen und Ahaus. Hast du eine Erklärung dafür, wieso sich hier Menschen mit ihren Unternehmen so spektakulär entwickeln? Damian Sicking vom Heise-Verlag hat tatsächlich, vielleicht auch mit einem Augenzwinkern, in einem Artikel davon gesprochen, dass dies hier das Silicon Valley von Deutschland ist. Natürlich ist uns vollkommen klar, dass es in Berlin deutlich mehr Start-ups gibt, als hier in der Region. Aber die Unternehmen, die hier aktiv sind, haben zusammengenommen schon einiges an Mitarbeitern, an Wirtschaftskraft, gemessen an den Umsätzen. Das ist schon auffällig, was hier passiert.

Es gibt tatsächlich positive Effekte. Wir sind uns ja nicht fremd. Mit einem Unternehmen wie netgo haben wir bis vor kurzem etwas weniger zu tun gehabt. Inzwischen kooperieren wir, und netgo bietet auch unsere Lösungen mit an. Sowohl Shopware als auch TOBIT sind Hersteller, wie wir auch. Das ist schon extrem auffällig, dass dies auf diesem kleinen Dreieck passiert. 

Die Gründung von d.velop hatte aber mit den anderen Unternehmen damals nichts zu tun. Es gab eine Kundenanforderung, und Thilo Gukelberger und Christoph Pliete, damals als freie Berater tätig, haben sich der Lösung angenommen. Die haben sich nach einem möglichen Software-Anbieter umgeschaut und dabei festgestellt, dass es so etwas in Deutschland nicht gab, und dann losgelegt.

Bei TOBIT war es so, dass Tobias Groten, ich meine 1986 das Unternehmen aus eigenen Ideen heraus gegründet hat. Als ich damals bei TOBIT gearbeitet habe, habe ich mit Stefan Heyne von Shopware dort gearbeitet. Der ist tatsächlich rübergegangen und dort Vorstand geworden. Und ich bin hierher gewechselt und bin später hier Vorstand geworden. Ich habe das Unternehmen nicht mitgegründet, aber immerhin.

Es ist tatsächlich so, dass viele Menschen in einem Unternehmen etwas gelernt haben und die Erfahrung dann mit in andere Unternehmen nehmen.

Das ist Innovation. Wir stehen im regen Austausch mit den anderen Unternehmen. Der Christoph Pliete ist im Aufsichtsrat von Shopware. Ich treffe mich regelmäßig mit Tobias Groten und stimme mich ab – oft auch bei einem Bierchen im „Unbrexit“ in Ahaus. 

Wir tauschen uns aus über gesellschaftliche Themen, über Digitalisierung, und manchmal ist es nur Austausch, um voneinander zu wissen, was der andere gerade tut. 

Wir haben keine Überschneidungen im Wettbewerb, und deswegen befruchten wir uns gerne gegenseitig. Das sind die gleichen Effekte, die man zum Teil auch im Silicon Valley beobachten kann. Ich war zweimal dort, um mir das intensiv anzuschauen, mit den CEOs dort zu sprechen. Was auffällig ist, dass dort Informationen ausgetauscht werden, und zwar unternehmensübergreifend. Hier in Deutschland sind wir da eher abschottend unterwegs, aus Furcht, dass jemand etwas nachbauen könnte. Im Silicon Valley sagt man: „Wenn das jemand nachbauen kann, dann bin ich nicht weit genug. Dann war es auch nicht die eine Idee, die erfolgreich sein kann, weil dann kann das ja jeder.“ Insofern werden da Informationen ausgetauscht, um gemeinsam Problemlösungen zu suchen. Wenn da ein Unternehmen sagt „Mir ist der Entwicklungsleiter abgehauen, jetzt habe ich ein Problem“, dann sagt ein anderes: „Wir kennen da jemanden für euch.“ 

Insofern wachsen die viel schneller. So etwas findet im Kleinen hier auch statt. 

#57 Von dem Gesagten war mir einiges nicht bekannt. Wenn man das resümiert, hat Tobias Groten da schon einiges bewegt, oder?
Tobias ist schon eine wichtige Keimzelle, ganz klar. TOBIT hat auch eine unheimliche Anziehungskraft auf IT-Fachkräfte. Ich glaube, dass jeder Ahauser, der begeisterter Software-Mensch ist, davon träumt, bei TOBIT arbeiten zu können. 

#58 Weißt du noch, was du zur Jahrtausendwende gemacht hast? 
Ja, da war ich auf einer Silvester-Party bei TOBIT mit einer ganz lächerlichen 2000er Brille auf der Nase.

#59 Hattest du als IT-ler auch Sorge vor den drohenden Armageddon-Szenarien?
Ein bisschen gespannt war ich schon, aber als Brancheninsider war ich mir sicher, dass fast alles funktionieren würde.

#60 Ich schlage einen Vergleich zum Thema ANALOGITAL, eben diese spannende Zeit, in der wir uns befinden. Wo wir zwischen analogen und digitalen Themen switchen können. Wie wenig Menschen haben eigentlich die Möglichkeiten, so etwas zu erleben? Gibt es bei dir, bei euch noch analoge Reste? 
Ja, die gibt es. Über diese analogen Röhrengeräte haben wir ja schon gesprochen. Die einen Klang fabrizieren, den man nicht ersetzen kann. Im Alltag habe ich wirklich meine Apple-Watch zu schätzen gelernt. Ich liebe diese Uhr, weil sie mir einfach so viele Informationen gibt. Aber:

Ich habe zu Hause eine Meister singer Einzeiger-Uhr. Die schafft es mit einem Zeiger, auf die Minute genau die Zeit anzuzeigen. Die zeigt keine Sekunden an, aber wenn man sein Leben schon in Sekunden aufteilen muss, dann ist es eh zu spät. Ich finde die Uhr phantastisch. Das ist auch ein Stück Handwerkskunst.“

#61 Du musst dich nicht wundern, wenn wir im PLATZHIRSCH über diese Uhr berichten. Wir kannten die bislang nicht. Aber die ist uns jetzt zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit untergekommen. Das kann doch alles kein Zufall sein …
Ich bin auf diese Uhr aufmerksam geworden, als ich in der Schweiz auf einem Flughafen war. Beim Warten habe ich mir die dortigen Auslagen angesehen. Für mich war das alles zu abgehoben. Ich bin zwar im Vorstand, aber bei einem mittelständischen Unternehmen, nicht bei einem Konzern. In der Auslage habe ich dann eine Uhr gesehen, die mir einfach toll gefallen hat, noch dazu mit dem Einzeiger-Konzept. Ich fand die einfach genial und war total geflasht. Ich habe mir das in meinem damaligen Blackberry notiert und zu Hause nachgeschaut, wo die denn wohl in der Schweiz sitzen und welche Preise die aufrufen. Ich war total überrascht, dass die um die Ecke in Münster sitzen und einfach faire Preise an ihre Uhren schreiben.

#62 Zum Abschluss noch ein Schwenk zum Thema Recruiting. Gibt es Menschen, die für euch interessant sind?
Ja, alle Menschen, die motiviert sind, die Spaß an dieser Branche haben. Die kreativ sind, die einfach einen Beitrag leisten wollen. Ein Blick auf unser Bewerberportal zeigt, dass wir genügend Stellen ausgeschrieben haben.
www.d-velop.de/karriere

Wir sind immer auf der Suche. Wir stellen in jedem Jahr 40-50 Menschen bei uns ein. Im letzten Jahr waren es 100 Personen. Wir wachsen sehr schnell und deshalb brauchen wir auch Menschen mit neuen Ideen, die uns helfen, unsere Projekte, die wir gewinnen, auch umzusetzen.

#63 Wenn man jetzt von euch angefixt ist, wenn man euch kennenlernen will – wie kann man bei euch reinschnuppern? Wie tritt man mit euch in Kontakt?
Was besonders gut geeignet ist, sind unsere Formate, die hier am Campus stattfinden. Das sind Kennenlern-Settings, die mehrmals im Jahr stattfinden, wie z.B. Discover d.velop oder Bits & Burgers. Losgelöst davon kann jeder, der interessiert ist, einen Walk & Talk mit uns vereinbaren. Da kann man bei den People & Culture- Leuten (früher sagte man Personalabteilung oder HR) anrufen oder sich online einbuchen. Da matchen wir Menschen aus den Teams in unserem Unternehmen mit der jeweiligen Interessentin, dem Interessenten. Die laufen zusammen über den Campus. Der Bewerber bekommt von einem Insider aus der Arbeitsebene das Leben und Arbeiten hier präsentiert und kann sich dabei seine individuellen Fragen beantworten lassen.

#64 Zum Abschluss: Haben wir irgendetwas Wichtiges vergessen, muss noch eine Botschaft raus für die Seiten im PLATZHIRSCH?
Mmmmmhhhh …. Wir haben übers Lernen gesprochen und über Fehlerkultur. Du könntest mich fragen, welche Fehler ich nicht noch mal machen würde. 

#65 Die Frage gibt es eigentlich immer in solchen Settings. Aber mit Rücksicht auf die Zeit und den Lesestoff habe ich die nicht gestellt. Was wäre denn deine Antwort?
In den letzten zwei Jahren habe ich gelernt, mit dem einen oder anderen Thema und mit Konfliktsituationen gelassener umzugehen. Das würde ich gerne auch an jüngere Kollegen weitergeben. Oft bleibt von einer solchen Konfliktsituation gar nichts mehr übrig, wenn man etwas gelassener damit umgeht. Zum anderen ist es der souveränere Umgang mit Situationen, d.h. sich nicht sofort angegriffen zu fühlen. Ich habe gelernt, dass der Weg zur tatsächlichen Lösung dann einfacher ist. Diese Fehler würde ich nicht noch einmal machen wollen. (rb)

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