Temporär oder für ein Leben lang

von | 5, 05, 20 | PLATZHIRSCH-BUSINESS

Wir treffen uns an einem Dienstagnachmittag im Februar in unseren ehrwürdigen Gemäuern in Bocholt und begrüßen Marijke, Erwin und Bootsmann. Letzterer versteht es, sich in den nächsten zwei Stunden immer wieder in den Vordergrund zu spielen. Während er so versucht, unserer blonden Verlagsfellnase Paula zu imponieren, tun die beiden anderen dies durch Erzählungen aus ihrer Arbeitswelt.

PLATZHIRSCH
Dass wir heute hier zusammensitzen, ist auf einen eher ungewöhnlich motivierten Anruf zurückzuführen. Möchtest du erzählen, Marijke?

Marijke Noy
Erwin ist auf euch aufmerksam geworden und hat mir den PLATZHIRSCH auf den Tisch gelegt. Ich habe mir dann ein paar Sachen angeschaut und einfach mal den Hörer in die Hand genommen, um euch anzurufen und zu sagen, dass ich das innovativ und toll finde, was ihr da macht. Der PLATZHIRSCH wirkt nicht wie ein regionales Business-Magazin. 

PLATZHIRSCH
Unser Grafik-Designer Pierre hat deinen Anruf damals entgegengenommen, daran erinnere ich mich noch. Ich bekam dann einen kleinen, gegoogelten Report mit Infos zu dir, eurem Unternehmen und deinen wertschätzenden Worten. Dein spontaner Anruf hat uns echt beeindruckt. Ich selbst bin eher der Schreiber, der Mailer … ich halte mich nicht für einen guten Telefonierer, weil ich das so ungern tue. Aber du hast da etwas getriggert, was mich nachdenklich macht und zum Nachmachen animiert. Ich werde mal ein paar Testballone mit wertschätzendem Spontan-Feedback starten.

Erwin Ganten
Ich bin eigentlich kein Fan von Print. Aber ich bin an dem d.velop-Interview der letzten Ausgabe gedanklich hängengeblieben. Sicherlich, weil ich in Gescher lebe und das Unternehmen kenne. Zunächst habe ich gedacht, was soll das ganze Private in der Story? Irgendwie hat es mich gestört … oder sagen wir mal irritiert. Aber es waren diese persönlichen Details, die mich ansprachen und an die ich mich erinnerte. Und irgendwie sitzen wir deswegen jetzt auch hier. 

PLATZHIRSCH
Okay, dann lass uns menscheln und persönlich werden. Kurz & knapp …

Erwin Ganten

Baujahr

1970.

Sommer oder Winter

Ich finde beides gut.

Wein oder Bier

Bier, definitiv.

Früher Vogel oder Nachteule

Früher Vogel.

Sternzeichen

Widder.

Fisch oder Fleisch

Fleisch.

Lieblingsland

Deutschland.

Absolutes Leibgericht

Ein sehr gutes Filetsteak.

Salzig oder süß

Eher salzig.

Hörbuch oder Buch

Buch.

Internet oder Laden

Tatsächlich Laden … tendenziell.

Mac oder Windows

Windows.

Facebook oder Instagram

Facebook.

Sender oder Empfänger

20% Sender, 80% Empfänger.
Ich versuche, gut zuzuhören, um zu verstehen,
was die Menschen möchten,
ob Kunden oder Mitarbeiter.

Sekt oder Selters

Champagner für alle!

Barfuß oder Lackschuh

Barfuß.

Tanzbär oder Tresen-Klammeräffchen

Och … ich kann beides.

Markantestes Hobby

Ski-Fahren.

Marijke Noy 

Baujahr

1980.

Sommer oder Winter

Sommer. 

Wein oder Bier

Wein. 

Früher Vogel oder Nachteule

Beides nicht. Ich schlafe gerne.

Sternzeichen

Wassermann.

Fisch oder Fleisch

Beides selten.

Lieblingsland

Die Welt.

Absolutes Leibgericht

Saure Böhnchen, jedoch nur nach dem Rezept meiner Oma: mit holländischen, braunen Bohnen und viel Essig – klingt fies, ist köstlich. Und typisch Niederrhein!

Salzig oder süß

Leider süß.

Hörbuch oder Buch

Buch.

Internet oder Laden

Zu oft Internet.

Mac oder Windows

Mac.

Facebook oder Instagram

Beides, vorrangig beruflich bedingt.

Sender oder Empfänger

Fifty-fifty.

Sekt oder Selters

Champagner für alle!

Barfuß oder Lackschuh

Barfuß.

Tanzbär oder Tresen-Klammeräffchen

Ich bin der Tanzbär.

Markantestes Hobby

In der Vergangenheit Schlagzeug spielen, das kommt leider etwas zu kurz. Ich bin auch schon Rhönrad gefahren und habe Linedance gemacht … ich habe immer unkonventionelle Sachen ausprobiert.

#1 Okay… wir sind jetzt warm genug für die Hardfacts. Wieviel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst das Team Winkels?

Erwin & Marijke: Wir haben aktuell 75 Mitarbeiter.

#2 Wo liegen eure Wurzeln?

Erwin Ganten: Gut zu wissen wäre, dass Winkels ein Familienunternehmen ist, das in zweiter Generation geführt wird. Heinz Winkels hat das Unternehmen im Jahre 1962 als klassische Möbelschreinerei gegründet. Anfang der 70er Jahre hat er sich auf den Messebau konzentriert und dieses Business als Kernkompetenz herausgearbeitet.

#3 Ihr habt euch 2018 von Winkels Messe- und Ausstellungsbau in Winkels Interior Design Exhibition umbenannt. Was war das Motiv für diesen Change-Prozess, für ein wenig Rolle rückwärts zum Handwerk jenseits der Messe?

Marijke Noy: Da gibt es zwei Ansätze. Zum einen ist es der sich verändernde Markt, der es erfordert, sich auch andere Standbeine aufzubauen. Und das andere ist, dass es relativ nahe lag, unsere Erfahrung aus dem Messebau in andere Projekte zu transferieren. Wir haben uns im Messebau ein hohes Qualitätslevel und einen sehr guten Ruf erarbeitet. Da war es naheliegend, dieses Potenzial auch in anderen Segmenten zu nutzen. Messebau ist ja das temporäre Geschäft. Jetzt haben wir das langlebige Geschäft angedockt. Daraus entstand unser Slogan:

Wir schaffen Raum. Temporär oder für ein ganzes Leben.

Wir bauen Museen aus, haben uns für die Produktion des Interieurs von Yachten qualifiziert, sind im Retail-Bereich aktiv… um einige der zusätzlichen Standbeine zu nennen. Es ist also nicht mehr nur die „schnelle Nummer“ Messebau, wo alles nach wenigen Tagen wieder zurückgebaut wird.

Erwin Ganten: Ich will das unterstreichen. Das, was wir auf der Messe getan haben, war oftmals qualitativ hochwertiger als das, was wir im Ladenbau gesehen haben. Wenn wir uns Flagship-Stores angeschaut haben, waren wir teilweise verwundert, wie reduziert der Auftritt in den Shops war. Das stand im krassen Gegensatz zu dem Aufwand, der auf der Messe betrieben wurde … was die Materialitäten angeht und die Liebe zum Detail. Nur um ein Beispiel zu nennen: Auf der Messe wurden echte Steine verwendet, im Shop nur Imitate. (Schmunzeln) Das war teilweise echt ernüchternd. Hinzu kam, dass der Messe- und Ausstellungsbau tendenziell ein bisschen negativ behaftet ist. Viele verstehen darunter immer noch einen schnell aufgebauten Tapeziertisch, mit zwei Rollup-Displays, ein paar Hostessen, die nett gucken, Kulis rausgeben und mit viel Glück noch den Besuchern einen Prospekt in die Hand drücken. Das ist tatsächlich bei vielen Menschen noch in den Köpfen drin.

Dieses Bild wird nicht dem gerecht, was wir leisten. Wir schaffen ganze Welten. Für BMW haben wir auf den Automobilmessen bis zu 11.000 Quadratmeter ausgebaut. Da war nichts mehr, wie es vorher war. Die Besucher haben nicht glauben können, dass das nur temporär ist. Mit solchen Projekten holt man die Menschen emotional ab.

Wir transformieren unser Business. Aber der klassisch-hochwertige Messebau macht auch heute noch 60% unseres Umsatzes aus.

#4 Dürft ihr ein paar Firmen nennen, mit denen ihr zusammengearbeitet habt oder aktuell arbeitet?

Erwin Ganten: Das geht. Zu unseren Partnern zählen BMW, Mini, Rolls Royce, Chevrolet in der Automobilbranche. Pfleiderer, Köhler, Birkenstock, um weitere zu nennen … und das ist natürlich nicht abschließend.

Marijke Noy:Ich möchte das ergänzen, und zwar um unsere langjährigen Kunden Occhio (Beleuchtung) und Dornbracht (Armaturen) … alles Partner in einem sehr hochwertigen Bereich.

Erwin Ganten: Für Dornbracht haben wir ein komplettes Filmset auf unserem Gelände arrangiert. Die haben dort ihren Aquamoon in Szene gesetzt und abgedreht:

www.youtube.com

Für Porsche haben wir Messeauftritte und Events inszeniert. Das klingt jetzt möglicherweise sehr exklusiv … soll es aber nicht. Wir arbeiten auch mit sehr vielen regionalen Unternehmen zusammen, mit z.B. Zippo in Emmerich, Ipsen in Kleve und Ostermann in Bocholt – und das schon viele Jahre. Es ist schon so, dass aus Erstbeauftragungen oft eine langjährige Partnerschaft entsteht.

#5 Ihr habt den Gründer Heinz Winkels angesprochen. Was zeichnete ihn aus?

Erwin Ganten: Er war damals schon ziemlich visionär unterwegs und hat aus einer kleinen Schreinerei ein weltweit agierendes Unternehmen geformt. 

Marijke Noy: Auf unserer Internetseite findet ihr ein Zitat von ihm, dass auch heute noch uneingeschränkt Gültigkeit hat:

„Die facettenhafte Vielfalt individueller Gestaltungsmöglichkeiten ist nahezu unbegrenzt. Ich nenne es das Kaleidoskop der Möglichkeiten. Es bemisst sich an Qualität, Flexibilität und dem Anspruch an kreative Höchstleistung.“

www.winkels-interior.de/about/

#6 Stelle doch kurz die zweite Generation, die heutige Geschäftsführung vor.

Erwin Ganten: Das sind Benedikt Winkels, der den kaufmännischen Bereich leitet und Dominik Winkels, das Pendant für den technischen Bereich. Die beiden verstehen es, das Unternehmen fortzuführen, dabei den stetigen Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen und neue Impulse zu setzen.

#7 Wer vertritt das Unternehmen nach außen?

Erwin Ganten: Das sind im Bereich New Business und Kommunikation eher Marijke und ich. Das ist auch so gewollt von Dominik und Benedikt, die konzentrieren sich gerne auf ihre Kernaufgaben.

#8 Okay, dann sprechen wir über die Gesichter nach außen … Fangen wir mit dem Winkels-Urgestein an. Erwin, was ist deine genaue Funktion?

Erwin Ganten: Das werde ich häufiger gefragt. (Schmunzeln)
Erwins einsetzender Rechenschaftsbericht mit einer Gesamtdauer von vier Minuten und sieben Sekunden lässt erkennen, dass ich an der Präzision meiner Fragestellungen feilen muss. Neuer Anlauf …

#9 Jetzt könnte ja auf deiner Visitenkarte stehen „Vernehmungsspezialist für potenzielle Auftraggeber.“
Erwin Ganten: So sehe ich mich tatsächlich auch.

#10 Was steht denn da tatsächlich?
Erwin Ganten: Ich bin Geschäftsleiter für Vertrieb, Struktur und Design.

#11 Du bist ja ein Kind der Branche, wie lange bist du schon in dem Bereich?

Erwin Ganten: Ich habe 1994 in der Projektleitung bei Winkels angefangen. Das habe ich zehn Jahre gemacht, um dann in den Vertrieb zu wechseln. Dort war ich zwölf Jahre. Im Jahre 2016 habe ich das Unternehmen gewechselt. Als mich nach zwei Jahren das Angebot ereilte zurückzukommen, habe ich das gerne angenommen. Dieser kleine Exkurs war gut, aber das Zurückkommen zu Winkels noch besser. Ich habe im letzten Jahr quasi Silberhochzeit mit der Branche gefeiert.

#12 Marijke – bitte ein paar Eckpunkte deiner Vita in Kurzform.

Marijke Noy: Ich habe nach meinem Abi Psychologie studiert. Ich bin dann über ein Praktikum bei einer Bonner Event-Agentur hängengeblieben, die hieß Sponsor-Partners, lag in der Königstraße und war auch sonst eine ziemlich gute Adresse. Mein Vater wollte mich noch warnen, aber mich hat diese Welt angezogen. Ich habe schon als Jugendliche im Klever Radhaus Konzerte organisiert. Heute bin ich Kommunikations- und Diplom-Medienwirtin und habe zwölf Jahre in Köln und drei Jahre in Berlin fest und frei für große Agenturen in der Live-Kommunikation gearbeitet. 

#13 Hau doch mal bitte ein paar konkrete Beispiele zu Projekten raus.

Marijke Noy: Zuletzt waren es vor allem internationale Fahrzeugpräsentationen für deutsche Automobilhersteller und Corporate-Events von großen Konzernen. Ich habe zum Beispiel für eine deutsche Bahn und eine deutsche Bank (Zwinkern) große Mitarbeiter- und Führungskräfte-Tagungen organisiert. Da kamen dann schon mal schnell mehrere tausend Leute zusammen. Begeistert haben mich auch Aufgaben als Producerin in der Showproduktion. Ich habe in ausverkauften Stadien an der Mittellinie gestanden und tausend Freiwillige übers Feld gescheucht. Das war Teil der Eröffnungszeromonie der FIFA-WM der Frauen im Jahre 2011. Diese Art unvergesslicher „Gänsehaut-Momente“ haben für mich stets den Stress der vorhergehenden Monate gerechtfertigt.

#14 Was waren deine ersten Eindrücke bei Winkels?

Marijke Noy: Ich fand es interessant zu sehen, wie bescheiden man dort war, trotz der Erfolge. Als ich im Unternehmen angefangen habe, wollte ich erst einmal verstehen, was genau das Profil des Unternehmens ist. Meine anfängliche Fragestellung: Wir bewegen uns in so vielen Räumen: Museen, Events, Yachten, Messe

… Was ist der Bogen, die Klammer dafür? Was und wie kommunizieren wir dies nach außen?

#15 Was ist deine konkrete Funktion?

Marijke Noy: Vertrieb mit Schwerpunkt Business Development, also die Entwicklung und Umsetzung der strategischen Geschäftsideen. Dabei fokussiere ich neue Ansätze im Marketing zur Neukundengewinnung. Ich denke, dass beim imposanten Wachstum des Unternehmens die Kommunikation nach außen zwangsläufig ein wenig vernachlässigt wurde. Meine Aufgabe sehe ich darin, das Profil unseres Unternehmens zu schärfen, es etwas lauter nach außen zu tragen, uns sichtbarer zu machen.

#15 Da scheint die Firma Winkels im Jahre 2019 etwas ziemlich Kluges gemacht zu haben. Sie hat eine „Treiberin“ ins Boot geholt und einen altgedienten „Treiber“ zurück-begeistert, oder?
Erwin Ganten: Das kann man so sehen.

Marijke Noy: Ich war ein paar Monate vorher da und hörte schon, dass Erwin zurückkommt. In ihm habe ich einen Mitstreiter, der mich und meine Visionen versteht, ab und an aber auch mal abbremst. So sichern wir die für Winkels richtige und stabile Geschwindigkeit. 

#16 Wie ist denn das Zusammenspiel zwischen euch? Ihr seid gefühlt eher unterschiedlich temperamentvolle Typen.

Marijke Noy: Das stimmt. Wir haben ähnliche Ziele, aber unterschiedliche Herangehensweisen. Ich bin es gewohnt, modern, innovativ und damit mutig zu denken. Dabei entstehen sicher auch Ideen, die ein mittelständisches Familienunternehmen am Niederrhein zunächst irritieren …

Erwin Ganten: … daher sehe ich mich als Übersetzer von Marijkes Ideen und Impulsen ins Unternehmen hinein. Marijke möchte gerne in großen Schritten vorankommen …

Marijke Noy: … ich bin eher ungeduldig …

Erwin Ganten: Das ist auch gut so, da es aufwühlt und erfordert, sich und seine Strukturen zu hinterfragen. Aber es ist auch das, was Event von Messe unterscheidet. Event ist immer das total Schnelle, immer am Puls der Zeit. Messe ist mehr abwägen-überdenken-entscheiden. Das ist das, was uns bei Event-Leuten immer so ein bisschen kirre macht. Der Königsweg könnte der Mittelweg sein und deshalb ergänzen wir uns so gut.

Marijke Noy: Ich habe gelernt, dass mir in meiner „neuen Arbeitswelt“ ein wenig mehr „Ooommmm“ gut tut. Erwin holt in diesen Momenten gerne Schokolade aus seiner nie leer werdenden Schreibtisch-Bonboniere, die er mir erfolgreich aufdrängt. Wir reflektieren gemeinsam den Kern der Ideen und projizieren diesen dann so auf das Unternehmen, dass es für alle passt. Neben seiner Ruhe und bedächtigen Art schätze ich Erwin für seine stetig gute Laune, auch, wenn sein Humor schon mal grenzwertig ist …

Erwin Ganten: Der Messebau ist vornehmlich (noch) eine Männerdomäne. Marijke passt da aber perfekt rein und ist dem absolut gewachsen. Wir profitieren von Marijkes frischer und positiver Energie. Sie verstärkt nicht nur unsere Außenwirkung, sondern bewegt auch intern.

#17 Marijke, du bist seit einem Jahr in diesem Unternehmen. Du hast zwar keine ganz objektive Sicht mehr auf die Dinge, bist aber wahrscheinlich noch weit von einer Betriebsblindheit entfernt. Wenn du dir das Verbreitungsgebiet des PLATZHIRSCH ansiehst, gibt es da Mit-Bewunderer für euch, sprich: Konkurrenten?
Marijke Noy: Ich würde sagen, hier hat jeder Hirsch seinen Platz. Konkurrenz belebt auch unser Geschäft, indem wir unser Revier klar abstecken und überzeugend verteidigen.

#18 Was macht Winkels so besonders, wo seid ihr besser als andere?
Marijke Noy: Bei uns macht das Zusammenspiel verschiedener Komponenten den Unterschied. Wir sind zeitgleich bodenständige Niederrheiner und in der Welt unterwegs. Wir sind Schreiner, Designer, Architekten, Berater und Logistiker, aber in erster Linie Menschen. Unser Team identifiziert sich auffallend stark mit dem Unternehmen, viele Kollegen sind seit vielen Jahren betriebszugehörig oder kommen nach einem kurzen Ausflug gerne zurück. (Schielt zu Erwin) Wir stehen für eine hohe Fertigungstiefe, bieten einen modernen Maschinenpark und unterm Strich ein überdurchschnittlich hohes Qualitätsniveau. Und das super zeit-verbindlich. Zusammengefasst ist es wohl die Kombination aus Erfahrung, Materialwissen, Kapazität und unserer gereiften Beratungsleistung.

Erwin Ganten: Ich muss da andocken, weil wir da richtig, richtig gut sind. Wir versuchen nicht, dem Kunden systemmäßig etwas überzustülpen. Das setzt voraus, dass man richtig gut zuhört. Bei uns ist nach wie vor die Werkstatt das Herzstück unseres Unternehmens. Viele Messebauer sind eher klassische Agenturen, die zukaufen. Wir können alle Gewerke selber bedienen – mit eigener Schlosserei, Oberflächenveredelung, hauseigenen Elektrikern, etc. Das versetzt uns in die Lage, auch sehr komplexe Projekte aus einer Hand abzuwickeln. Keine langwierige, fehleranfällige Kommunikation mit verschiedenen Gewerkeanbietern – sondern hausinterne Lösungen mit vielen Spezialisten. Das macht uns sehr flexibel und schnell.

#19 Wie adaptiert ihr diese Kompetenzen und Erfahrungen in die neuen Geschäftsbereiche?
Marijke Noy: Die Qualität, die wir seit jeher im temporären Geschäft liefern, fordert dazu auf, dies auch anderen Zielgruppen anzubieten. Zum Beispiel Privatkunden. Mit unserer Marke „Winkels Kitchen“ setzen wir genau das um und gestalten Design- und Architektur-Küchen oder komplette Wohnräume.

#20 Wer ist denn im Bereich Kitchen eure Zielgruppe? Für wen seid ihr die Lösung?
Marijke Noy: Für Menschen, die sich im Laden nicht wohlfühlen. Die nichts „von der Stange“ haben wollen – Individualisten halt. Heutzutage legen viele Menschen Wert darauf, ihre Persönlichkeit auch in ihrem Lebensraum auszudrücken. Sie wollen sich in ihrem Zuhause nicht nur wohlfühlen, es soll sie repräsentieren. Das erreicht man letztendlich nicht mit Konfektionsware. 

Die Kombination von Material, Form und Funktion ermöglicht eine hohe Flexibilität und vielfältige, individuelle Gestaltungsmöglichkeiten. 

Das ist Erkenntnis und Motiv der Menschen, die uns ansprechen.

#21 Wie holt ihr die ab?
Erwin Ganten: Wir müssen erst einmal wissen, wie diese Menschen ticken. Wie leben sie in ihren Häusern? Wie kochen sie … mit welchen Geräten … wie sind ihre Abläufe in der Küche? Dazu gehören auch die Feinheiten, wie z.B. ob es so vierbeinige Rabauken ähnlich wie meinen Bootsmann im Haus gibt. Push-to-pen-Auszüge oder -Türen machen bei Labrador-Besitzern nicht wirklich Sinn.

(Schmunzeln mit Blick auf Bootsmann.
Der muss uns zugehört haben, da er zeitgleich zwei Bodenvasen mit seinem wedelnden Schwanz in die Waagerechte bringt.)

Auf eine solche Deko verzichten wir übrigens bei uns zu Hause. Das wäre auf Dauer zu teuer.

#22 Wo gibt es Grenzen?
Erwin Ganten: Beim Denken jedenfalls nicht. Es gibt für uns keine Limits in Höhe und Breite. Standardmaße irritieren uns eher. Und wenn es um den Wunsch geht, einen alten Baum einzuarbeiten, dann ist uns das ein sympathisches Anliegen, was das Projekt noch spannender macht, was wir gerne umsetzen, und niemals eine lästige Macke. Je mehr Individualität jemand einbringen will, umso besser ist letztendlich das Ergebnis. Wir setzen auch keine freien Flächen voraus. Wir kümmern uns ebenso um den Rückbau der alten Küche, die Entfernung des Bodens, wenn gewünscht.

Marijke Noy: Unsere Designer entwerfen die gemeinsam herausgearbeiteten Wünsche am Mac, orientiert an den tatsächlichen Gegebenheiten im Objekt. Diese 3D-Bilder vermitteln ein sehr plastisches Bild und erlauben schon in der Planungsphase ein Urteil darüber, ob die Auftraggeber sich in ihrem neuen Wohnraum auch wohlfühlen werden.

#23 Habt ihr ein paar Beispiele für wirkliche Individualität?
Erwin Ganten: Genügend … grünen Mar­mor aus Italien, zum Beispiel. Den hat sich ein Kunde als Arbeitsplatte in seiner Küche gewünscht. Oder ein Kunstwerk, das wir großformatig als Schrankfront ausgebildet haben. Ein Stalltor, das wir in einer Landhaus-Küche nachempfunden haben … Grundsätzlich alle Materialien, denen wir durch Bearbeitung eine neue Verwendung zuordnen.

#24 Jetzt haben wir euch ja zum Vorgespräch in eurem Unternehmen in Kleve besucht. Da gab es einen Bereich bei dem Rundgang mit dir, wo ich nicht zu neugierig sein durfte, weil die Kunden und die eigentliche Bestimmung nicht genannt werden durften. Umreiß doch mal smart dieses Segment, was man wahrscheinlich nicht mit euch in Verbindung bringen würde.
Erwin Ganten: Das ist schwer zu umreißen, weil man ja weder den Namen des Eigners, noch des Auftraggebers, noch des Schiffes und das eigentliche Gewerk benennen darf. Vielleicht so viel … dass wir beim letzten Auftrag einen kompletten Wellness-Tempel für eine Yacht gestaltet haben, mit Licht-Inszenierungen. Einen Raum, den man auf dem Festland vergeblich suchen würde – so edel. Da wird unser Know-how auf der höchst denkbaren Qualitätsstufe abgerufen, weil ja alles wasser- und salzresistent sein muss. Da müssen Hölzer zum Teil bis zu sieben Mal lackiert werden. Wir haben im letzten Jahr den ersten Auftrag realisiert. Das ist ein sehr kleiner, elitärer Kreis, den du mit herkömmlicher Werbung nicht erreichst. Eine sehr kleine Sparte, wo deutsches Know-how, die handwerkliche Präzision und unsere Zuverlässigkeit geschätzt wird. Wir haben die Qualität unseres Handwerks in diesem für uns neuen Segment „Yachten“ präsentiert. Und jetzt werden wir weiterempfohlen und gefunden.

#25 Spannend. Fühlt sich die Familie Geißen denn wohl in dem, was ihr geschaffen habt? (Lautes Gelächter … aber irgendwie dauert es ungewöhnlich lange mit der Antwort. Treffer – versenkt?)
Erwin Ganten: Also der Rooobääärt sagt …
(Ein schallendes Gelächter setzt ein, ohne dass der Satz fortgeführt wird.)

#26 Ihr habt auch von Museen erzählt, die ihr ausstattet. Wie dürfen wir uns dieses Geschäft vorstellen?

Erwin Ganten: Das ist ein echt spannendes Segment, wo wir schon vor Jahren Fuß gefasst haben. Aktuell sind wir in München und realisieren das Sude­tenmuseum. Da bauen wir fünf individuelle Ebenen aus.

#27 Wie dürfen wir uns das konkret vorstellen, wenn ihr sagt „wir bauen die aus“?
Marijke Noy: Letztendlich hat ja fast alles, was wir tun, mit Präsentation zu tun. Wir schaffen Präsentationsraum für Marken, Produkte, Unternehmen oder Privatpersonen. Hier sind es die Ausstellungsstücke in den Museen, dafür bauen wir die Präsentationsfläche. Das sind Böden, Wände, die Stellflächen für die Exponate, Vitrinen, Lichtinstallationen, etc.

Erwin Ganten: Im Museumsbau wird immer High-End-Handwerk gefordert, sehr filigran und ohne sichtbare Beschlagtechnik. Man muss sich vor Augen führen, dass je einfacher und reduzierter die Wirkung ist, desto aufwändiger in der Regel die Umsetzung ist. Eine Glasscheibe von drei Metern Höhe kann ich nicht einfach in ein Profil aufständern. Die muss gehängt werden, weil sie sich sonst nach innen oder außen ausbauchen würde.

#28 Ausbauchen von Glasscheiben … also, ich werde heute wieder um ein paar Wissens-Happen bereichert …

Ein Satz aus unserem Vorgespräch klingt mir noch deutlich im Ohr: „Winkels sind vor allen Dingen die Mitarbeiter …
es muss menscheln.“ Was ist damit konkret gemeint?
Erwin Ganten: Das fängt bei der Geschäftsführung dieses Familienunternehmens an. Das sind eben auch Familienmenschen. Die nehmen ihre Verantwortung, ihre Sorgfaltspflicht für all ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien gründlicher war, als jeder Unternehmer, den ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe. So etwas überträgt sich auf das ganze Unternehmen und die Menschen, die dort arbeiten. Wie ich schon erwähnt habe, das Herzstück unseres Unternehmens ist die Werkstatt. Und dieses Herzstück pulsiert durch die vielen Handwerker dort.

#29 Kommen wir zu eurem Kern-Werkstoff, dem Ursprungsprodukt, wo alles mit gestartet hat – sprechen wir über Holz. Was muss man dazu wissen – auch vor dem Hintergrund Nachhaltigkeit?

Erwin Ganten: Das Thema Nachhaltigkeit ist zu Recht relevant. Aber der Umgang mit dem Naturprodukt Holz war bei Schreinereien immer schon sehr respektvoll. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal von uns, da kann ich für viele Kollegen sprechen. Wir sind nie inflationär mit diesem Naturprodukt umgegangen. Weil es ein so wertvoller Rohstoff ist, hat man irgendwann damit angefangen, Massivhölzer gegen Furniere zu ersetzen. Ich nehme eine Rückbesinnung auf die Wertigkeit von Holz auch beim Verbraucher war. Es muss mittlerweile nicht mehr die hochglanzbeschichte Arbeitsplatte sein.

Es darf inzwischen die unperfekte Natur sein. Gerade das macht den Charme aus, wenn ich Äste und Unebenheiten im Material erkenne – während man vor zehn Jahren Buche noch zu Tode gedämpft hat, um ein einheitliches Furnierbild zu erzielen. Damals konnte keiner damit leben, wenn die Schublade eine Nuance anders aussah, als die Tür. Von dieser Uniformität sind wir Gottseidank runter.

Marijke Noy: Projekte in der Live-Kommunikation sind oft schnell, aufwändig, schillernd, wichtig. Es werden mit oft hohen Investitionen ganze Welten geschaffen. Die dann wieder verschwinden. Eine temporäre Veranstaltung muss jedoch nicht zwangsläufig einen Haufen Müll bedeuten. Die diesbezüglichen Richtlinien und Anforderungen unserer Auftraggeber, vor allem der ganz großen, werden laufend erweitert und konkretisiert. Wir bieten unseren Kunden mit einer effizienten Materialplanung und 20.000 Quadratmeter Lagerfläche verschiedene Optionen, uns bei der nachhaltigen Umsetzung zu unterstützen. 

Gerade im temporären Geschäft planen wir schon frühzeitig den Wiedereinsatz der Materialien. Zeitgleich packen wir an unsere eigene Nase und setzen mit mehr als 7.000 Quadratmeter Photovoltaik und Wärmerückgewinnung auf innovatives Energie-Management. Es bleibt eine andauernde Herausforderung – und Nach­haltigkeit neben unserem für die zweite Jah­reshälfte geplanten Tag der offenen Tür eines unserer Kernthemen in 2020.

#30 Was wärest du, Marijke, noch gerne gefragt worden?
Marijke Noy:Ich habe gelesen, dass du des Öfteren nach den ultimativen Musikstück fragst. Das ist wirklich eine Frage, die ich auch stelle, um Menschen kennenzulernen. Ich finde, dass man da so viel rausnehmen kann. Bevor du fragst, mein „all time favorite“ ist „Under Pressure“ von Queen und David Bowie.

#31 Erwin, jetzt hast du Zeit gehabt, zu überlegen, was du gerne gefragt worden wärst …
Erwin Ganten: Vielleicht über Messen an sich, was da das Spannendste, Aufregendste, Größte, Spektakulärste gewesen ist?

#32 Das haben ich dich im Vorgespräch schon gefragt. Da hast du rumgeeiert, dass man das so pauschal nicht sagen könne.
Erwin Ganten: Ja, das kann man auch soooooo pauschal nicht sagen. (Gelächter) Im Ernst: Unser größter Stand war auf der IAA mit 11.000 Quadratmetern. Aber spannend war tatsächlich Shanghai, wo wir in sieben Tagen 5.500 Quadratmeter aufgebaut haben. Auf der IAA hatte man acht Wochen Zeit für den Aufbau. In Shanghai wurden 40 Seecontainer in einem Bruchteil dieser Zeit verbaut.

Das Amüsanteste aber war in Zagreb. Da hat mich unser Monteur nach zwei Tagen Aufbau angerufen und gesagt, dass der Stand spiegelbildlich in der Halle stehen würde. Das war so ein langer Schlauch von insgesamt 1.200 Quadratmetern. Ich habe ihm gesagt, er soll ihn (den Stand) halt umdrehen. Der hat dann fix aufgelegt, was mich gewundert hat – ich wollte nur einen Witz machen. Nach zwei Stunden hatte ich den wieder an der Strippe mit der Aussage „Erledigt!“. Der hatte sich vier große Fünf-Tonnen-Stapler organisiert und das Teil gedreht, was echt ein Kunststück war, in der engen Halle. Für mich ein schönes Beispiel, wie flexibel und tatkräftig unser Team ist.

Marijke Noy: Apropos Team: Wir stellen unsere Mitarbeiter aktuell bei LinkedIn und auf unseren Social-Media-Kanälen bei Facebook und Instagram vor. Falls jemand unser Netzwerk erweitern möchte … temporär oder für ein Leben lang …

Erwin Ganten: Wir freuen uns jederzeit über Kontakte, Anfragen und neue Herausforderungen, gerade aus dem lokalen Revier Niederrhein und Münsterland. Mal sehen, wie laut und weit der PLATZHIRSCH röhrt und wen er für uns begeistern kann …